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Motorrad

Lüthi - ein Rookie mit viel Berufserfahrung

Tom Lüthi steht vor seinen ersten Runden auf der MotoGP-Honda. "Ich bin absolut fit", so der Berner, der nach einem Sturz Ende Oktober lange an Krücken ging und deshalb das Saisonfinale verpasste.
Lang ists her, dass sich Tom Lüthi als damaliger 125er-Weltmeister neben MotoGP-Star Valentino Rossi, seinem Idol der Kindheit, zum gemeinsamen Foto aufstellen durfte (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE

Ab Sonntag testen die Fahrer der MotoGP-Klasse während drei Tagen - in Malaysia und damit exakt auf dem Rundkurs, auf welchem für den 31-jährigen Berner in der vergangenen Saison die Titelträume in der Moto2-Klasse ein schmerzhaftes Ende fanden.

Im ausführlichen Interview mit der Nachrichtenagentur sda sagt Lüthi, dass diese Rückkehr nach Sepang für ihn kein Problem darstellte. Das sei sogar perfekt für ihn, findet der 16-fache Grand-Prix-Sieger, denn "mit dieser Strecke habe ich noch eine Rechnung offen". Bei seinem Sturz Ende Oktober hatte sich Lüthi eine Fussverletzung (gebrochenes Sprungbein) zugezogen. Erst Mitte Dezember konnte er die Krücken in die Ecke stellen: "Seither ging es steil bergauf."

Lüthi hat sich für die kommenden Testfahrten Geduld auferlegt. Keinesfalls dürfe er während den Tests zu fest auf die Rundenzeiten schauen: "Ich werde mich beherrschen und Schritt für Schritt vorgehen müssen." Denkt er an den Saisonstart am 18. März in Katar, so kommt der Schweizer ins Schwärmen. Früher als Kind habe er ein Poster von Valentino Rossi in seinem Zimmer aufgehängt gehabt. "Nun fahre ich in der gleichen Klasse und stehe mit ihm auf der Startaufstellung. Das ist schon geil", sagt Lüthi.

Tom Lüthi, wie geht es Ihnen?

"Sehr gut. Seit ich im Dezember die Krücken wegstellen durfte, machte ich riesige Fortschritte."

Sie sind zuvor in ihrer fast 16-jährigen GP-Karriere schon öfters gestürzt und auch verletzt gewesen. Wie erlebten Sie diese Zwangspause?

"Es war eine recht mühsame Zeit, gerade auch mental. Ich habe das anfänglich unterschätzt. Doch für mich war es letztlich halt so, dass ich durch den Sturz in Sepang den WM-Titelkampf verloren und auch die MotoGP-Tests im November verpasst habe. An den Testtagen mit den Krücken neben 'meinem' Motorrad zu stehen, das war schwieriger als erwartet."

Wie verlief die Heilungsphase?

"Für diese Verletzung (gebrochenes Sprungbein am linken Fuss - Red.) ging es schnell. Mir persönlich allerdings kam die Zeit mit den Krücken sehr lange vor. Von dem Moment, an welchem ich nicht mehr darauf angewiesen war, ging es sehr steil bergauf. Ich konnte mein Trainingsprogramm wie geplant durchziehen. Ich schaffte es sogar, dass ich noch im alten Jahr auf den Ski stand."

Einen weiteren Belastungstest gab es Anfang Januar.

"Das war in Spanien. Zunächst fuhr ich einen Tag in einem Rennkart. Auf einem solch schnellen Kart bin ich noch nie gesessen. Das war ein super Training, für das Auge, die Arme, die Reaktion - es galt, extrem viele Sachen in kürzester Zeit zu erledigen. Da konnte ich mich wieder etwas an die Geschwindigkeit gewöhnen."

Am zweiten Tag sassen Sie dann auf dem Motocross-Töff.

"Nach diesem Training wusste ich definitiv, dass es auch auf dem MotoGP-Motorrad wegen dem Fuss keine Probleme geben wird. Nun kribbelt es, dass ich endlich einmal auf der Honda fahre."

Wie sahen vor dem Abflug nach Malaysia Ihre Trainingswerte aus - ähnlich gut wie in früheren Jahren?

"Konditionell ja. Bezüglich Muskelmasse konnte ich sogar rund zwei, zweieinhalb Kilogramm zulegen. Darauf bin doch ein bisschen stolz. Ich konnte neben der Reha schon früh anfangen, den Oberkörper zu trainieren. Ich bin absolut fit, um in Sepang auf das MotoGP-Motorrad zu sitzen."

Wie gehen Sie diesen ersten Test an?

"Ich habe den ganzen Winter durch Onboard-Videos geschaut, vor allem natürlich von Marc Marquez und Dani Pedrosa. Die beiden sind vergangene Saison die Werks-Honda gefahren. Dabei versuchte ich, mich in sie hineinzuversetzen und zu schauen, wie sie fahren, wie ihr Fahrstil auf diesem Motorrad ist."

Und wenn Sie dann selbst auf dem Motorrad sitzen: Was gilt es zu beachten?

"Dass ich mich von Anfang an zurücknehme. Ich muss geduldig Schritt für Schritt vorgehen und lernen. Diese Zeit muss ich mir einfach nehmen. Obwohl ich das als Rennfahrer vielleicht möchte: Ich darf ja nicht versuchen, möglichst schnell gute Rundenzeiten zu fahren."

Sie sagen, dass Sie Geduld brauchen. Das ist aber schwierig, wenn man zum Saisonauftakt über einen Rückstand verfügt.

"Ich versuche, es nicht so anzusehen, dass mir die anderen Fahrer vier Testtage voraus sind. Sonst hätte ich von Anfang an Stress und das Gefühl, aufholen zu müssen. Ich gehe vielmehr dahin mit der Vorstellung, dass wir ein neues Jahr haben und alles auf null gesetzt ist. Dank der MotoGP-Tests 2016 mit KTM habe ich schon eine gewisse Idee, was mich erwartet."

Sind Sie auch für den Fall gewappnet, dass Franco Morbidelli, Ihr Teamkollege bei Marc VDS und ebenfalls ein MotoGP-Rookie, plötzlich pro Runde zwei Sekunden schneller ist?

"Lieber wäre mir natürlich, dass ich zwei Sekunden vor ihm bin. Aber ernsthaft: Ich muss mich wirklich beherrschen und darf keinen Schritt überspringen. Aber ich habe die volle Unterstützung des Teams. Vor allem auch Gilles (Bigot - der Cheftechniker) weist mich wohl fast jeden zweiten Tag auf den Ablauf hin."

Was ändert sich im Vergleich zur Moto2-Klasse, in welcher Sie seit 2010 fuhren?

"Die Umstellung ist gross. So braucht es während dem Fahren auch viel mehr Kapazitäten im Kopf, denn es müssen bei der Elektronik laufend gewisse Sachen umgestellt werden. Danach gilt es den Unterschied zu spüren. Solche Dinge müssen möglichst automatisiert werden, weil das Renngeschehen sowieso schon stressig ist."

Sie haben nur neun Testtage zur Verfügung, um sich an diese "Höllenmaschine" zu gewöhnen.

"Dessen bin ich mir bewusst. Zwei grosse Bereiche, an die ich mich gewöhnen muss, sind die Hinterradbremse und das Bedienen des Gasgriffs, ohne dass die Elektronik zu viel ins Spiel kommt. Das soll extrem schwer sein, so habe ich gehört."

Sie verliessen Ende Oktober nach Ihrem Sturz Sepang mit einem schlechten Gefühl. Nun werden Sie eben dort auf der Strecke erstmals auf der MotoGP-Honda sitzen. Verspüren Sie also gemischte Gefühle?

"Nein. Das ist perfekt für mich. Ich habe mit Sepang noch eine Rechnung offen."

Mit Ihrem Aufstieg in die MotoGP-Klasse verabschieden Sie sich vom Gewinnen. Haben Sie sich darüber Gedanken gemacht?

"Klar wird die Zielsetzung eine andere als bisher sein. Ich kann nicht kommen und alle Werksmotorräder schlagen. Das ist unmöglich. Darum will ich versuchen, der beste Rookie zu sein. Aber Ziele im Detail zu formulieren, das geht jetzt noch nicht, ohne dass ich nicht auf dem Motorrad gesessen bin. Und klar, mein grosser Wunsch ist, mich in der MotoGP-Klasse zu etablieren. Ich will dort Fuss fassen und bleiben können."

Sie verfügen nur über einen Einjahresvertrag. Morbidelli hingegen hat einen Dreijahresvertrag. Zudem wurde Alex Marquez bereits zugesichert, dass er 2019 ebenfalls für Marc VDS MotoGP fahren darf. Haben Sie überhaupt eine Chance, in der Königsklasse bleiben zu können?

"Ja. Aber ich muss das alles ausblenden. Es geht ums Gleiche wie bei den Tests. Ich darf nicht jetzt schon das Gefühl haben, dass ich immer vor allen anderen sein und diese schlagen muss. Dann käme es nicht gut. Vielmehr muss ich ruhig bleiben und meinen Job gut erledigen."

Ihr erstes MotoGP-Rennen ist zugleich ein Jubiläums-GP für Sie.

"Genau. Den 250. GP habe ich mir letzte Saison noch aufgespart (lacht)."

Mit welchem Gefühl denken Sie an Katar?

"Das ist noch weit weg. Nach Sepang werde ich etwas mehr wissen. Aber natürlich ist die Vorfreude extrem, in Katar gemeinsam mit Valentino Rossi und Co. auf der Startaufstellung zu stehen. Früher als Kind hatte ich ein Poster von Rossi im Zimmer. Nun fahre ich in der gleichen Klasse mit ihm. Das ist schon geil." (sda)

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