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Deutschland: AfD-Chef fordert Disziplin

Der deutsche AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen hat seine Partei zur Distanzierung von Krawallmachern und Provokateuren in den eigenen Reihen aufgefordert und sie vor einem Verschwinden in der politischen Bedeutungslosigkeit gewarnt.
Jörg Meuthen, Bundessprecher der AfD. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Bild: Keystone/dpa/Rolf Vennenbernd

"Was wir mehr als alles andere brauchen, ist innerparteiliche Disziplin", sagte Meuthen am Samstag beim AfD-Bundesparteitag in Kalkar. "Dazu gehört untadeliges Verhalten aller Funktionäre und auch einfacher Mitglieder, vom Parlament bis zum Strassenrand." Der Parteichef kritisierte unter anderem, dass manche in der AfD von "Corona-Diktatur" sprächen, keine Distanz zur sogenannten Querdenker-Bewegung zeigten und mit dem Begriff "Ermächtigungsgesetz" hantierten.

"Das kann und darf so keinesfalls weitergehen", forderte Meuthen in seiner Rede, die sich über weite Strecken wie eine Standpauke anhörte und am Ende auch mit Buh-Rufen bedacht wurde. "Entweder wir kriegen hier die Kurve, und zwar sehr entschlossen und sehr bald. Oder wir werden als Partei in keineswegs ferner Zukunft in ganz, ganz schwere See geraten und gegebenenfalls scheitern."

Die rund 600 Delegierten, von denen am Samstagmittag etwas mehr als 500 anwesend waren, wollen bis zum Sonntagabend ein sozialpolitisches Konzept beschliessen und mehrere Posten nachwählen. Sie tagen in einer Halle, für die es wegen der Corona-Pandemie strenge Sicherheitsvorschriften der örtlichen Behörden gibt. So müssen alle Delegierten permanent eine Maske tragen, auch wenn sie an ihrem Platz sitzen. Nach jeweils 50 Minuten müssen alle Türen der Halle für 10 Minuten zum Lüften geöffnet werden. Die Stadt Kalkar hat angekündigt, den Parteitag notfalls auch zu beenden, wenn die Auflagen nicht eingehalten werden sollten.

Mehrere Hundert Menschen demonstrierten in der Stadt am Niederrhein gegen das Treffen der Rechtspopulisten. Zu der Kundgebung hatte das Bündnis "Aufstehen gegen Rassismus" aufgerufen. Bundestagsabgeordnete fast aller Parteien meldeten sich bei einer Kundgebung zu Wort.

Der zweite Bundesvorsitzende Tino Chrupalla antwortete den Kritikern der Versammlung mitten in der Corona-Pandemie, Präsenzparteitage seien unverzichtbar in der Parteiendemokratie. Diese brauche lebendige Debatten. "Wenn wir da uns von einem Virus in die Schranken weisen lassen, hat die Demokratie ihr Recht bereits verloren." Zugleich appellierte Chrupalla an die Delegierten, das Hygienekonzept einzuhalten. "Tragt Eure Masken am Sitzplatz. Haltet Abstand."

Da nicht alle Delegierten dies beherzigten, was auch im Fernsehen live zu sehen war, forderten einzelne Delegierte, die Medien auszuschliessen. "Wir müssen nicht noch die Bilder dafür liefern, dass es nicht ganz so klappt", sagte der Freiburger AfD-Stadtrat und Partei-Rechtsaussen Dubravko Mandic. Ein Antrag auf Ausschluss der Journalisten wurde aber mit grosser Mehrheit abgelehnt.

Chrupalla kritisierte die "Notstandspolitik von Bund und Ländern" in der Corona-Krise. Er warf ihnen vor, die Ausnahmesituation zum Normalzustand machen zu wollen. "Wir werden nicht zulassen, dass die Regierungen im Alleingang das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland ins Koma versetzen können." Was die Bundeskanzlerin und andere Politiker mit Gastwirten, Künstlern und Veranstaltungswirtschaft machten, sei "reine Konkurspolitik". Es würden wissentlich Existenzen vernichtet, die Pleitewelle rolle bereits, viele Menschen werde dies den Arbeitsplatz kosten.

Im Umgang mit dem Verfassungsschutz, der den inzwischen aufgelösten "Flügel" der AfD als rechtsextremistische Bestrebung beobachtet, warb Chrupalla für Gelassenheit: "Glaubt mir, liebe Freunde, wir verbessern diese Situation nicht, indem wir uns ständig selbst anklagen." Chrupalla wandte sich strikt gegen verfassungsfeindliches Gedankengut in den eigenen Reihen. "Wer ein Problem mit dem Grundgesetz hat, der hat in unserer Partei nichts verloren."

Der Parteitag begann anschliessend mit der Beratung des sozialpolitischen Konzepts. Dieses sieht für die Rente unter anderem Freiheit beim Zeitpunkt des Renteneintritts, die Abschaffung von Politikerpensionen, eine Altersvorsorge für Selbstständige und eine Stärkung der privaten Vorsorge vor. (sda/dpa)