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Deutschland

Sozialdemokraten wollen Sarrazin loswerden

Thilo Sarrazin, der mit islamkritischen Thesen in Deutschland immer wieder für Wirbel sorgt, könnte nun doch aus der SPD rausfliegen. Das Parteigericht des Berliner SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf plädiert für einen Ausschluss Sarrazins.
Soll bei den deutschen Sozialdemokraten rausfliegen: Thilo Sarrazin beim Signieren seines Buchs "Feindliche Übernahme". (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/PATRICK HUERLIMANN

Die Kreispartei, in der der 74-Jährige Mitglied ist, folgt damit einem Antrag der Parteispitze. Die Entscheidung ist in erster Instanz nicht rechtskräftig. Sarrazins Anwalt kündigte am Donnerstag an, sein Mandant werde Berufung einlegen und notfalls durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht gehen. Das könnte Jahre dauern. Sarrazin, der seit 45 Jahren der Partei angehört, bleibt also vorerst SPD-Mitglied.

Dennoch sieht die SPD-Spitze, die 2009/10 und 2011 schon zweimal vergeblich den Ausschluss Sarrazins betrieb, einen Erfolg. "Wir sehen uns in unserer klaren Haltung bestätigt: Sarrazin hat mit seinen Äusserungen gegen die Grundsätze der Partei verstossen und ihr Schaden zugefügt. Rassistische Gedanken haben in der SPD keinen Platz", sagte Generalsekretär Lars Klingbeil. Die rechtspopulistische AfD lud Sarrazin ein, nun zu ihr zu kommen.

Umstrittene Thesen

Sarrazin ist wegen migrationskritischer Äusserungen in seinen Büchern umstritten. So sprach er mit Blick auf muslimische Zuwanderer schon 2009 von Menschen, "die ständig neue Kopftuchmädchen produzieren".

In seinem jüngsten Buch "Deutschland schafft sich ab" schrieb er, die "religiös gefärbte kulturelle Andersartigkeit der Mehrheit der Muslime" und deren steigende Geburtenzahlen gefährdeten die offene Gesellschaft, Demokratie und den Wohlstand des Landes. Integration sei kaum möglich. Sarrazin schreibt auch im Schweizer Wochenblatt "Weltwoche".

"Der Antragsgegner hat erheblich gegen die Grundsätze der Partei verstossen und ihr dadurch schweren Schaden zugefügt", schlussfolgerte das Parteigericht. "Gegen ihn ist deshalb auf Ausschluss aus der SPD zu erkennen."

Klarer Rassismus

Sarrazin beschreibe in Deutschland lebende Muslime als "weniger wertvoll" und "gefährlich", heisst es in der Entscheidung, die der Nachrichtenagentur DPA vorliegt. Das sei "klar rassistisch".

Und weiter: "Die Verbreitung antimuslimischer und kulturrassistischer Äusserungen durch den Antragsgegner unter dem Mantel seiner allgemein bekannten und immer wieder in Presseberichten hervorgehobenen SPD-Mitgliedschaft stellt die Glaubwürdigkeit der Partei und ihres Einsatzes für ihre Werte und Grundauffassungen in Frage und muss von ihr nicht hingenommen werden."

Sarrazin selbst weist den Vorwurf des Rassismus schon seit längerem zurück: Mit seinen Thesen einer schleichenden Spaltung der Gesellschaft durch die starke Zunahme von Einwanderern muslimischen Glaubens beschreibe er lediglich aktuelle Zustände, argumentiert er.

Sarrazin sieht sich verfolgt

Das Urteil der SPD-Schiedskommission bezeichnete Sarrazin am Donnerstag als falsch. "Es ist schade, dass sie nicht die Kraft fand, eine andere Entscheidung im Interesse der Meinungsfreiheit und der innerparteilichen Demokratie zu treffen. Die heutige Entscheidung wird den Niedergang der SPD nicht aufhalten."

Er habe nie für möglich gehalten, "dass man wegen seiner Meinung verfolgt und ausgeschlossen wird", so Sarrazin.

Das Parteigericht in Berlin hatte vor etwa zwei Wochen über den Antrag der Parteispitze verhandelt, aber zunächst noch keine Entscheidung gefällt. Diese liegt nun vor und wurde den Beteiligten am Donnerstag schriftlich zugestellt.

Sarrazin war von 2002 bis 2009 Finanzsenator in Berlin. Von Frühjahr 2009 bis Herbst 2010 war er Konzernleitungsmitglied der Deutschen Bundesbank, der Notenbank. (sda/dpa)