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Justizvollzug

U-Haft wird in zwei Phasen unterteilt

Wer im Kanton Zürich längere Zeit in Untersuchungshaft steckt, soll Lockerungen erfahren. Inhaftierte sollen intensiver betreut werden und mehr Zeit ausserhalb der Zelle verbringen. Das Amt für Justizvollzug reagiert damit auf Kritik gegen das restriktive Haftregime.
In Zürcher Untersuchungsgefängnissen sollen Inhaftierte künftig mehr Zeit ausserhalb der Zelle verbringen können. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/GAETAN BALLY

Die Untersuchungshaft gilt als eine der restriktivsten Haftformen, obwohl die Eingesperrten noch gar nicht verurteilt sind. Es gebe immer wieder kritische Fragen, wieso die Untersuchungshaft so streng sei, wenn doch die Unschuldsvermutung für die Inhaftierten gelte, sagte Roland Zurkirchen, Direktor der Untersuchungsgefängnisse Zürich (UGZ), am Freitag vor den Medien in Zürich.

Mit der Einführung eines sogenannten Zweiphasenmodells wollen die Kantonsbehörden auf solche Kritik reagieren: Wenn jemand für längere Zeit in einem der fünf Zürcher Untersuchungsgefängnisse sitzt, soll er oder sie beispielsweise längere Zeit ausserhalb der Zelle verbringen können - sofern keine Kollusionsgefahr mehr existiert.

Ziel dieser und anderer Anpassungen ist es, "den schädlichen Nebenwirkungen der Untersuchungshaft entgegenzuwirken", wie Zurkirchen sagte. Die Selbständigkeit der Menschen soll im Hinblick auf die Freilassung gefördert werden. "Es gibt immer wieder Fälle, bei denen Personen unschuldig sind."

Fünf Stunden ausserhalb

Schon heute sitzen Verdächtige laut Zurkirchen nicht bis zu 23 Stunden am Tag alleine in ihrer Zelle - wie oft kolportiert wird. Im Schnitt befänden sie sich täglich fünf Stunden ausserhalb der Zelle. Wenn immer möglich würden sie mit Arbeit beschäftigt und es gebe auch Zeiten, während deren Häftlinge sich frei auf ihrem Trakt bewegen und beispielsweise Mitgefangene besuchen könnten.

Künftig soll es mehr Sozialarbeiter geben, die sich um Insassen und deren Umfeld kümmern. Eine wichtige Rolle spielt das Gefängnis Limmattal, in dem ein lockeres Regime einfacher umzusetzen ist als anderswo: Die Anlage bietet mehr Platz, um die Gefangene mit Arbeit zu beschäftigen. Die Mitarbeiter sollen auch zu mehr Offenheit gegenüber den Gefangenen angehalten werden.

Mehr Mitarbeiter

Den Lockerungen sind aber auch Grenzen gesetzt: Beispielsweise seien die Haftzellen im über 100-jährigen Gefängnis Zürich sieben Quadratmeter gross, was zu einem rigiden Haftregime führe, sagte Zurkirchen.

Eine offeneres Setting erfordert auch mehr Mitarbeiter. Der Chef des Amtes für Justizvollzug, Thomas Manhart, geht davon aus, dass die Zusatzkosten durch Einsparungen an anderen Orten kompensiert werden können.

Eingeführt werden soll das Zweiphasenmodell auf Ende 2018. Das ist ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant. Grund dafür sei unter anderem, dass sich die Absprache mit der Staatsanwaltschaft komplizierter gestalteten als erwartet, sagte Manhart. Auch die Koordination mit dem Bund und anderen Kantonen sei nötig gewesen.

Keine "schwierigen Geschichten"

Die Zahl der Aufenthaltstage in der Untersuchungshaft im Kanton Zürich hat seit 2013 von 139'386 um 16 Prozent auf 116'453 im Jahr 2017 abgenommen. Begründet wird dies damit, dass die Kriminalität im Kanton Zürich wie in der ganzen Schweiz abnimmt.

Gegenläufig zu diesem Trend sei, dass weniger Häftlinge gegen Ende ihrer Haftzeit bedingt entlassen würden, sagte Manhart. Einen Automatismus zur bedingten Entlassung wie vor 25 Jahren, als selten jemand das letzte Drittel Haftzeit absass, gebe es heute nicht mehr. "Wir schauen genauer hin."

Die Auslastung der Gefängnisse lag bei rund 88 Prozent, was Manhart als optimal bezeichnete. Manhart sprach von einem "stabilen" Jahr. Sichtlich erleichtert stellte er fest, dass es keine "schwierigen Geschichten" gegeben habe, im Unterschied zum Vorjahr. Damals kam das Amt etwa wegen der filmreifen Flucht einer Aufseherin mit einem Häftling. (sda)