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Drogen

Betäubungsmittelgesetz: Abkehr von Abstinenz

Das Betäubungsmittelgesetz (BetmG) entspricht der Realität nicht mehr. Nach zehn Jahren Gültigkeit erreicht es sein Ziel - die Abstinenz - nicht. Die Verbote stempeln grosse Bevölkerungsgruppen zu Kriminellen. Darum soll Cannabis legal werden.
Trug zum Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik bei: Die offene Drogenszene am Zürcher Platzspitz, aufgenommen im April 1991. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/KARL-HEINZ HUG

Ernüchternd fällt die Bilanz der Eidgenössischen Kommission für Suchtfragen über das vom Volk gutgeheissene Betäubungsmittelgesetz aus. Nach zehn Jahren in Kraft ist eine Revision angebracht, wie das Gremium am Mittwoch schreibt.

Das Gesetz geht nach Analyse der Kommission an der Realität vorbei, es ist einseitig auf Abstinenz und Verbote ausgerichtet. Dadurch weist es zahlreiche unlogische Zusammenhänge aus. Die Verbote führen neben der Kriminalisierung der Konsumierenden auch zu beträchtlichen Kollateralschäden. Diese könnten mit einer besseren Regulierung verhindert werden, bilanziert die Kommission.

Neben diesen Schwachpunkten bedürfen auch einige Begriffe im BetmG der Überholung, da sie nicht mehr auf dem neuesten fachlichen Stand sind.

Die Kommission schlägt darum eine Revision des Zweckartikels weg von Abstinenz und Prohibition vor. Stattdessen würde der Artikel die gesellschaftliche Entwicklung und ethische Fragen einschliessen.

Gesetz für alle Suchtmittel

Das revidierte Gesetz soll sich auf Konsumpraxis, Schadensminderung und Gesundheitsförderung stützen und nicht auf Abstinenz. Der Fokus auf illegale Substanzen muss gemäss Kommission durch ein Bundesgesetz für alle psychoaktiven Substanzen und möglicherweise abhängig machenden Verhaltensweisen ersetzt werden. Die Verfahren für Interventionen bei Voll- und Minderjährigen müssen einheitlich werden.

Die Kantone müssen für Abhängige aller Art niederschwellige medizinische und soziale Angebote zur Verfügung stellen. Für die psychoaktiven Substanzen sollen differenzierte Regulierungsmodelle mit unterschiedlicher Marktregulierung geprüft werden. Forscher sollen die Wirksamkeit der gesetzlichen Regulierungen beobachten.

Cannabis legalisieren

Für die Revision des Betäubungsmittelgesetzes stellt die Kommission deshalb drei Szenarien zur Diskussion. Das erste ist die Legalisierung von Cannabis. Dazu wird das Produkt aus der Liste illegaler Substanzen gestrichen und der Umgang mit ihm in den jeweiligen bestehenden Gesetzen geregelt. Darunter fallen etwa des Lebensmittel- und Heilmittelgesetz oder Bestimmungen im Erwachsenen- und Kinderschutzrecht.

Im zweiten Szenario visiert die Kommission eine umfassende Revision an. Darin würde das Primat der Schadensminderung den Vorzug der Abstinenz ersetzen. Verbote verschwinden. Das neue Gesetz orientiert sich an Konsumrealität, Menschenwürde, Verhältnismässigkeit, Autonomie und Gesundheitsschutz.

Im dritten Szenario schlägt die Kommission die Streichung des BetmG vor. Der Umgang mit Drogen und Suchtmitteln aller Art wird dann im Rahmen anderer schon bestehender Gesetze geregelt. Ein Rahmengesetz soll darüber ein Dach bilden. Modelle zur Regulierung gesundheitsschädigenden Konsums sollen gleichzeitig die Risiken verringern. (sda)