notifications
Gesundheit

In der Schweiz hapert es an den Spermien

In Industrieländern geht es mit der Spermienqualität bergab. Genfer Forschende haben das Ejakulat junger Schweizer untersucht und stellen fest, dass es auch hierzulande nicht besser aussieht.
Die Spermienzahl wird mit einer speziellen Zählkammer unterm Mikroskop bestimmt. Bei rund 17 Prozent der jungen Schweizer liegt die Konzentration an Samenzellen unter der Norm. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/GAETAN BALLY

Ein Forschungsteam um Serge Nef von der Universität Genf hat die Spermienqualität bei rund 2500 Schweizern zwischen 18 und 22 Jahren untersucht. Im Fokus standen Kennwerte wie die Konzentration, die Beweglichkeit und das Aussehen (Morphologie) der Samenzellen. Bei mindestens 60 Prozent der untersuchten Männer lag mindestens einer dieser Kennwerte unter der von der Weltgesundheitsorganisation WHO festgelegten Norm, wie die Hochschule am Mittwoch mitteilte.

Gemäss dieser Normwerte sollte ein Milliliter Ejakulat mindestens 15 Millionen Samenzellen enthalten. 32 Prozent der Spermien sollte sich vorwärts bewegen und mindestens 4 Prozent sollten eine normale Form aufweisen.

Im Europavergleich eher schlecht

Laut der nun im Fachblatt "Andrology" veröffentlichten Studie hatte rund jeder Sechste der untersuchten Schweizer Männer weniger als 15 Millionen Spermien pro Milliliter Ejakulat, jeder Vierte hatte weniger als 40 Prozent beweglicher Samenzellen und 40 Prozent der Männer hatte weniger normal geformte Spermien als die von der WHO festgelegten 4 Prozent. Insgesamt lag bei 60 Prozent der jungen Männer mindestens ein Wert unter der Norm, bei 5 Prozent waren sogar alle drei Kennwerte schlechter.

Frühere Studien hatten während der vergangenen Jahrzehnte bereits einen Rückgang der Spermienqualität in Industrieländern festgestellt. Während der letzten Jahrzehnte halbierte sich demnach die Spermienkonzentration von 99 Millionen auf 47 Millionen pro Milliliter. Bei letzterem Wert bewegte sich auch der Durchschnitt der nun vorgelegten Studie für die Schweiz. Im europäischen Vergleich liegen Schweizer Männer damit eher am unteren Rand des Spektrums, etwa gleichauf mit Deutschland, Dänemark und Norwegen.

Für die Studie wurden schweizweit junge Männer während ihrer Militäraushebung per Fragebogen zu Gesundheit, Lebensgewohnheiten, Ernährung und Ausbildung befragt und um eine Spermaprobe gebeten. Ausserdem wurden die Eltern zu Faktoren während der Schwangerschaft befragt, die einen Einfluss auf die spätere Spermienqualität des Sohnes hätten haben können.

Spermienqualität in kritischem Zustand

Studienautor Alfred Senn mahnte zur Vorsicht bei Aussagen zu einzelnen Spermienproben. Diese liessen keine genauen Rückschlüsse auf die Fruchtbarkeit einer Person zu. "Aber, gesamthaft gesehen, deuten die Resultate darauf hin, dass die Spermienqualität der jungen Männer in der Schweiz in einem kritischen Zustand ist und dass ihre künftige Zeugungsfähigkeit höchstwahrscheinlich beeinträchtigt sein wird."

"Da Paare heutzutage zunehmend erst später Kinder bekommen, haben niedrige Spermienzahlen bei jungen Männern in der Schweiz - kombiniert mit einer Abnahme der Fruchtbarkeit bei älteren Frauen - eine Auswirkung auf die Empfängnisrate und ihre Nachkommen", so Senn. Was bedeutende soziale und finanzielle Auswirkungen auf die Gesellschaft haben werde.

Möglicher Zusammenhang mit Hodenkrebs

Besorgniserregend seien die Studienergebnisse auch deshalb, weil es einen Zusammenhang mit einer Zunahme von Hodenkrebs-Fällen in der Schweiz geben könnte, schrieb die Uni Genf. Diese Krebsfälle hätten in der Schweiz seit über 35 Jahren zugenommen und lägen im europäischen Vergleich sehr hoch, liess sich Nef zitieren. Der Zusammenhang zwischen Spermienqualität und Hodenkrebs solle weiter untersucht werden.

Einen klaren Zusammenhang zwischen verminderter Spermienqualität und Umweltfaktoren stellten die Forschenden bei Nikotinkonsum der Mutter während der Schwangerschaft fest: Rauchte die Mutter während der Schwangerschaft, wiesen die inzwischen erwachsenen Söhne eine geringere Samenqualität auf.

In weiteren Studien wollen die Genfer Forschenden nun den Einfluss von Lebensgewohnheiten und Umwelt weiter untersuchen. Gerne würden sie die Studienteilnehmer dafür zehn Jahre später noch einmal befragen, sagte Studienautorin Rita Rahban. (sda)