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Medizin

Projekt beleuchtet Zwang während Geburt

Mal betrifft es die Geburtsposition, mal grössere Eingriffe wie einen Kaiserschnitt: Werdende Mütter werden immer wieder in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt oder unter Druck gesetzt. Wie häufig dies geschieht will nun ein Berner Forschungsprojekt beleuchten.
Wie häufig werden Frauen während der Geburt unter Druck gesetzt, beispielsweise einem Kaiserschnitt zuzustimmen? Das soll ein Projekt beleuchten. (Symbolbild)
Bild: KEYSTONE/GAETAN BALLY

Wie oft und in welcher Form kommt es in der Schweiz zu Zwang unter der Geburt? Dieser Frage will Stephan Oelhafen von der Berner Fachhochschule Gesundheit nachgehen. Gemeint ist damit kein Zwang per Verordnung, erklärt der Projektleiter im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

"Es geht um subtilere Formen des Zwangs, um das Ausüben von Druck oder die Art und Weise, wie Informationen an Gebärende vermittelt werden. Zum Beispiel, indem man Ängste schürt, das Kind sei zu gross und deshalb sei es nötig, einen Kaiserschnitt durchzuführen."

In Gesprächen mit Gesundheitsfachpersonen und im Rahmen früherer Befragungsstudien mit Hebammen bekam Oelhafen den Eindruck, dass häufig Druck auf Gebärende ausgeübt werde, um Massnahmen gegen ihren Willen durchzusetzen. Mit seinem Team will er daher nun die Sichtweise der Mütter beleuchten.

Häufigkeit und Umstände

Soeben hat er den Zuspruch für die Finanzierung des Projekts aus dem Käthe-Zingg-Schwichtenberg-Fonds erhalten, wie die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften kürzlich mitteilte. In der ersten Phase, die sich gerade in der Vorbereitung befindet, soll eine schweizweite Online-Befragung von Frauen ein Bild darüber ergeben, wie häufig junge Mütter aus ihrer Sicht Zwang während der Geburt erfahren haben. In der zweiten Phase sollen dann vertiefte Interviews genauer beleuchten, in welcher Form und unter welchen Umständen es dazu kam.

Ob die Massnahmen, zu denen die Frauen unter der Geburt überredet wurden, wirklich nötig waren, können Oelhafen und seine Mitarbeitenden zwar nicht abschliessend klären. "Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Gründe für eine geburtshilfliche Intervention zu überprüfen", so der Forscher.

So lässt sich zum Beispiel feststellen, ob die Sorge um ein zu grosses Kind berechtigt war oder ob es, gemessen am effektiven Geburtsgewicht, auch spontan hätte zur Welt kommen können.

Beweggründe sind nachvollziehbar

Die Beweggründe, warum Fachpersonen Druck auf Gebärende ausüben, seien nachvollziehbar, so Oelhafen. "Wenn man vermutet, das Kind könnte womöglich gefährdet sein, versucht man die Frau zu überreden." Dennoch müsse es ethisch korrekt ablaufen und die werdende Mutter transparent informiert werden.

Dass dies in der Hektik der Geburtsstation nicht immer einfach ist, sieht er jedoch auch: "Fachpersonen stecken in einem gewissen Dilemma: Sie wollen nicht vorab über alle möglichen Komplikationen informieren, um keine unnötigen Ängste zu schüren. Im Ernstfall ist die Zeit dann jedoch sehr knapp, um die werdende Mutter mit der nötigen Ruhe und Ausgewogenheit über die Vor- und Nachteile einer Intervention aufzuklären."

Ökonomische Interessen

Nicht von der Hand zu weisen sind jedoch auch ökonomische Interessen, die hinter dem Zwang gegenüber Gebärenden stehen könnten: Ein Kaiserschnitt geht schneller als eine Spontangeburt, und der Zeitaufwand ist ein Kostentreiber.

Dass nicht alle Kaiserschnitte aufgrund von tatsächlichen Risiken durchgeführt werden, zeigen auch kantonale und regionale Unterschiede. "Im Kanton Zug liegen die Kaiserschnittraten viel höher als im Kanton Jura, das lässt sich nicht allein mit medizinischen Notwendigkeiten erklären", sagt Oelhafen.

Zwar könnte dies zumindest teilweise auch auf unterschiedliche Präferenzen der betroffenen Frauen zurückgehen. Studien aus anderen Ländern lassen jedoch vermuten, dass Wunsch-Kaiserschnitte eher die Ausnahme sind und im tiefen einstelligen Prozentbereich liegen. (sda)