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Schwyz

Bundesasylzentrum in Seewen: Ein Rückzug ist möglich

Die Pläne für ein allfälliges Bundesasylzentrum in Seewen sind noch nicht in Stein gemeisselt. Der Direktor des Staatssekretariats für Migration (SEM), Mario Gattiker, bekräftigt Gesprächsbereitschaft.
Mario Gattiker vom Staatssekretariat für Migration an einer Medienkonferenz. (Bild: Thomas Hodel/Keystone (Zollikofen, 8. August 2018))

Jürg Auf der Maur

Mario Gattiker, in den letzten Tagen ist die Kontroverse zwischen Schwyz und dem SEM nochmals heftiger geworden. Gibt es für Sie überhaupt noch eine Alternative zum Standort Seewen?

Selbstverständlich! Wir sind weiterhin bereit, Vorschläge der Zentralschweizer Kantone für einen alternativen Standort vertieft zu prüfen. Wenn wir bis September 2019 gemeinsam einen gleichwertigen Standort finden und eine verbindliche Vereinbarung mit dem betreffenden Kanton und der Gemeinde abschliessen können, sind wir bereit, das Plangenehmigungsgesuch für den Standort Schwyz zurückzuziehen.

Viel Ärger hat die SEM-Kommunikation rund um das Plangenehmigungsverfahren ausgelöst. Es wurde absolut unüblich nach 16.30 Uhr an einem Freitag zugestellt. War das eine Retourkutsche für den Widerstand aus Schwyz?

Nein, überhaupt nicht. Wir waren der Meinung, dass sowohl die Regierungsrätinnen und Regierungsräte der Zentralschweizer Kantone als auch die Medien und die Öffentlichkeit so rasch wie möglich über unseren Entscheid, das Plangenehmigungsverfahren für den Standort Schwyz einzuleiten, informiert werden sollten.

In Schwyz hat man den Eindruck, dass die Argumente gegen das Bundesasylzentrum – das Areal gilt etwa als künftiges Entwicklungsgebiet für Arbeitsplätze und Unternehmen – gar nicht ernst genommen werden. «Stiert» das SEM einfach seine Pläne durch, weil hier die Ausgangslage am einfachsten erschien?

Es geht nicht darum, eine einfache Lösung durchzuboxen. Wir haben 15 mögliche Standorte sorgfältig geprüft, und von diesen erfüllt der Standort Schwyz die Anforderungskriterien an ein Bundesasylzentrum am besten. Diese Kriterien haben wir mit den Kantonen zusammen festgelegt.

Wie gross wäre die Kompensation bei den definitiv zugewiesenen Asylbewerbern nun tatsächlich? Ursprünglich erklärte Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Parlament, diese finde im Verhältnis 1:1 statt. Davon ist das SEM nun abgekommen. Weshalb?

Bei vorübergehend genutzten Unterkünften in Militäranlagen galt bisher die von Ihnen genannte 1:1-Kompensation. Nach Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes am 1. März 2019 wird der Bund dem Kanton Schwyz gemäss unseren Berechnungen rund 40 Prozent weniger Asylsuchende zuweisen, wenn dieser über ein Bundesasylzentrum verfügt. Es sind die Kantone, die bestimmen, wie der Bund die Asylsuchenden auf die Kantone verteilt und wie die Kompensation für die Standortkantone von Bundesasylzentren aussieht.

Der Bund erklärte, kein Bundesasylzentrum gegen den Willen des Standortkantons oder der Standortgemeinde einzurichten. In Schwyz macht man aber genau das. Weshalb?

Wir sind nach wie vor an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. Mit den Kantonen der Asylregion Zentralschweiz und Tessin ist abgemacht, dass es in der Zentralschweiz ein Bundesasylzentrum geben wird – diese Abmachung wurde nie in Frage gestellt. Deshalb müssen wir die Planung nun vorantreiben. Diesen Auftrag haben uns fast 70 Prozent der Stimmberechtigten in der Schweiz und sämtliche Kantone gegeben, als sie damals dem neuen Asylgesetz zugestimmt haben.

Ist das ein Verstoss gegen Treu und Glauben?

Der Vertrag für das provisorische Bundesasylzentrum auf dem Glaubenberg läuft im Mai 2022 aus. Deshalb braucht es dringend eine Nachfolgelösung. Nur so kann der Bund die Kantone bei der Unterbringung von Asylsuchenden entlasten – wie wir dies versprochen haben.

Wieso hat das SEM den Luzernern nicht einen Termin gegeben, um die Vorschläge konkret einzureichen?

Der Bund hat die von Luzern vorgeschlagenen alternativen Standorte geprüft. Einer davon wäre gemäss einer Machbarkeitsstudie des Bundesamts für Bauten und Logistik grundsätzlich geeignet. Hier ist aber noch eine Reihe von Fragen offen, etwa zu den Kosten und zur Verfügbarkeit des Grundstücks. Da wir heute nicht wissen, ob die weiteren Abklärungen zu einem Ergebnis führen, muss der Bund das Plangenehmigungsverfahren nun einleiten.

Weshalb wurde das Plangenehmigungsverfahren in Schwyz gestartet, bevor die Luzerner Alternativen geprüft wurden?

Wir haben alle 15 von den Kantonen vorgeschlagenen Standorte sorgfältig geprüft, zum Teil haben wir auch Machbarkeitsstudien machen lassen. Aber wir sind überall zum gleichen Schluss gekommen: Wintersried erfüllt die Vorgaben am besten.

Wollte man mit diesem Vorgehen in Bern den Druck erhöhen und Schwyz ins Dilemma stürzen?

Nein, wir suchen mit den Zentralschweizer Kantonen zusammen ja seit mehr als vier Jahren nach einem geeigneten Standort. Der Bund hat alle Vorschläge der Kantone sorgfältig geprüft und alles in seiner Macht Stehende getan, um eine mehrheitsfähige Lösung zu finden. Wir sind offen für weitere Vorschläge. Der Ball liegt nun bei den Kantonen.

Sehen Sie noch einen Weg aus der momentanen Sackgasse? Wie realistisch ist es, dass das Plangenehmigungsverfahren für Schwyz im September 2019 überhaupt noch gestoppt werden kann oder gestoppt wird?

Wenn es eine gleichwertige Alternative gibt und wir bis September 2019 eine verbindliche Abmachung mit dem Kanton und der Gemeinde haben, werden wir es zurückziehen.

Hinweis: Das Interview wurde schriftlich geführt.

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