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Luzern

Finanzreform: Deshalb schliessen sich grosse Agglo-Gemeinden dem Widerstand der Stadt Luzern nicht an

Die Stadt Luzern lässt kein gutes Haar an der Aufgaben- und Finanzreform (AFR 18), über die am 19. Mai abgestimmt wird. Gleichzeitig werben die Finanzvorsteher der Nachbargemeinden öffentlich für ein Ja. Sie haben triftige Gründe dafür.
Agglo-Gemeinden wie Emmen profitieren von der Finanzreform, über die am 19. Mai abgstimmt wird. (Bild: Boris Bürgisser, Emmen, 23. Januar 2019.)

Robert Knobel

Robert Knobel

Die Abstimmung über die Aufgaben- und Finanzreform (AFR 18) vom 19. Mai wirft im Kanton Luzern hohe Wellen. Die AFR verteilt die Lasten zwischen Kanton und Gemeinden neu. Die Reform wird von 12 Gemeinden, allen voran der Stadt Luzern, vehement bekämpft. Die Stadt hat unter anderem Rothenburg, Meggen und Dierikon an ihrer Seite. Doch die grossen Gemeinden der Agglomeration Luzern sind alle für die Finanzreform. Deren Gemeinderäte werben sogar in Inseraten für ein Ja am 19. Mai – was im Falle von Kriens für einige Verwirrung sorgt. So will die Krienser FDP in einer dringlichen Interpellation wissen, weshalb Finanzvorsteher Franco Faé (CVP) öffentlich für die Finanzreform wirbt. Denn bis vor Kurzem habe der Krienser Stadtrat betont, er werde sich aus dem Abstimmungskampf heraushalten.

Die Antwort des Krienser Stadtrats auf die Interpellation steht noch aus. Weshalb Franco Faé die Reform befürwortet, hat er aber bereits gegenüber unserer Zeitung klar gemacht (wir berichteten):

«Unter dem Strich sieht es für uns positiv aus.»

Konkret bedeutet dies: Kriens wird dank der Reform um 1,5 Millionen Franken pro Jahr entlastet. Das zumindest besagen die Berechnungen des Kantons. Auch die anderen grossen Agglo-Gemeinden sollen von der Reform profitieren – allen voran Emmen mit fast 4 Millionen Franken. «Die Gemeinde Emmen wird ohne AFR 18 als Verliererin dastehen und die finanzielle Situation wird sich weiter verschlechtern», sagt der Emmer Finanzvorsteher Patrick Schnellmann (CVP).

Auf der anderen Seite stehen diejenigen Gemeinden, die durch die Reform stärker zur Kasse gebeten werden – so etwa die Stadt Luzern mit 4,9 Millionen Franken. Eigene Berechnungen der städtischen Finanzdirektion zeigen sogar, dass die Zusatzbelastung mehr als doppelt so hoch ausfällt. Kein Wunder also, wehrt sich die Stadt mit Händen und Füssen gegen die AFR 18. Auf der Gegnerseite stehen aber auch Gemeinden wie Rothenburg und Dierikon, die laut Kanton von der Reform profitieren würden. Ob diese Prognosen auch wirklich eintreffen, ist eine andere Frage, da es zahlreiche Unsicherheitsfaktoren gibt. Allen voran die demografische Entwicklung. Die Finanzreform sieht nämlich vor, dass sich der Kanton stärker an den Volksschul-Kosten beteiligt, und die Gemeinden im Gegenzug zusätzliche Kosten im Sozialbereich (z.B. AHV-Ergänzungsleistungen) übernehmen müssen.

Wer viele Kinder hat, profitiert von der Reform

Je nach Bevölkerungsentwicklung kann sich dies für eine Gemeinde mehr oder weniger günstig auswirken. Bei der Stadt Luzern scheint der Fall relativ klar: Sie hat eine Bevölkerung mit vielen Senioren und wenig Kindern. Dass der Kanton mehr an die Schule zahlt, wirkt sich also nicht so stark aus. Anders bei den Sozialkosten, die wie in jeder Stadt auch in Luzern besonders ins Gewicht fallen. Muss die Stadt mehr an die AHV-Ergänzungsleistungen zahlen, tut dies entsprechend weh. In Buchrain ist es genau umgekehrt – unter anderem deshalb wirbt Gemeindepräsidentin Käthy Ruckli (CVP) für ein Ja zur Finanzreform. «Die Bildungskosten stellen den mit Abstand grössten Posten in der Gemeinderechnung dar», sagt Ruckli. Entsprechend spürbar würde eine Entlastung durch den Kanton. Ähnlich argumentiert Patrick Schnellmann für Emmen: «Die Zahlen zeigen, dass Emmen in den nächsten 10 Jahren mit rund 1000 Kindern mehr planen muss.»

Welche Gemeinden am Ende wirklich zu den Gewinnern und Verlierern der Reform gehören werden, kann man noch nicht mit Sicherheit sagen. Genau deshalb appellieren die Befürworter nicht nur mit dem unmittelbaren Nutzen, sondern mit der Notwendigkeit einer Reform an sich. Es gehe um eine grundsätzlich gerechtere Verteilung der Finanzen. Käthy Ruckli bringt die bisherige Praxis so auf den Punkt:

«Während die einen Speck ansetzen, lässt man die anderen verhungern.»

«Die AFR stärkt das Gleichgewicht zwischen Gemeinden und dem Kanton», sagt Patrick Schnellmann. Daniel Gasser (CVP), Gemeindepräsident von Ebikon, ergänzt:

«Es ist relativ offensichtlich, dass die Gemeinden im Nein-Lager mit wenigen Ausnahmen zu den finanziell Privilegierten gehören.»

So weise die Stadt Luzern seit Jahren hervorragende Rechnungsabschlüsse aus. «Gleichzeitig bietet sie Angebote auf einem qualitativen Niveau an, von dem wir in der Agglomeration nur träumen können.» Allerdings könnten die glänzenden Abschlüsse der Stadt bald der Vergangenheit angehören. Denn sie kamen bisher vorallem dank hoher Einnahmen aus der Erbschaftssteuer zustande. Und ausgerechnet hier wird sich der Kanton künftig stärker bedienen, wenn die AFR durchkommt.

Der Horwer Gemeindepräsident Ruedi Burkard (FDP) stellt dennoch den Solidaritätsgedanken der AFR in den Vordergrund. «Bei einem umfassenden Reformprojekt kann man nicht einzelne Massnahmen herauspicken und sich in diesem Bereich als Verlierer darstellen. Da braucht es eine Gesamtschau.»

Das Schicksal der AFR hängt auch vom Schweizer Volk ab

Burkard nimmt auch die Unsicherheit in Kauf, die durch die Verknüpfung von mehreren Vorlagen entsteht. Die AFR 18 basiert nämlich auf der Annahme, dass gleichzeitig das kantonale Steuergesetz geändert und die eidgenössische Steuer-/AHV-Reform angenommen werden. Über letztere stimmt die Schweizer Bevölkerung ebenfalls am 19. Mai ab, während das kantonale Steuergesetz noch nicht abstimmungsreif ist. Werden einzelne dieser Vorlagen abgelehnt, könnte sich die AFR ganz anders auf die Gemeinden auswirken und beispielsweise Horw stärker belasten als geplant. Diese Unsicherheit sei aber «verkraftbar», findet Ruedi Burkard.

Der Verband der Luzerner Gemeinden (VLG), der die AFR 18 befürwortet, führt öffentliche Informationsveranstaltungen in Ebikon, Hochdorf, Sempach, Willisau und Schüpfheim durch. Mehr Informationen hier.

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