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Luzern

Seine Spuren bleiben sichtbar: Entlebucher Urgestein der Jagd geht in Pension

Dozent, Jäger, Geschäftsmann, Erfinder: Mit Hansruedi Felder geht ein Urgestein der Luzerner Jagd in Pension. Während 35 Jahren hat er die Ausbildung geprägt. Eine Begegnung in seiner Heimat offenbart Felders Kompetenz und Bescheidenheit.
Hansruedi Felder hat fast 2000 Kursteilnehmer in der Jagd ausgebildet. (Bild: PD/Tobias Meyer)
Als Dozent setzte Felder auf die Verbindung von Theorie und Praxis. (Bild: PD/Max Thürig)
Hansruedi Felder Jäger sieht sich als Erlebnisjäger. Und macht dieses Erlebnis mit eigenen Erfindungen angenehmer. (Bild: Max Thürig)
Mit Seifenblasen bestimmt Hansruedi Felder die Windrichtung. (Bild: Max Thürig)

Sabine Windlin und Marc Höchli

Sabine Windlin und Marc Höchli

Sabine Windlin und Marc Höchli

Sabine Windlin und Marc Höchli

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich Hansruedi Felder, 66, in seinem Element vorzustellen. Wie er mit Rucksack und Feldstecher zu einem Reviergang ins Entlebucher «Ebnet-Rengg» aufbricht. Wie er das Rehwild beobachtet, das auf den saftigen Wiesen äst. Felder observiert und registriert akribisch, will herausfinden, wie gross der Bestand ist und wo sich die Tiere aufhalten.

Ein Jäger wolle natürlich Beute machen, doch dies sei nur ein winziger Bruchteil der Jagd, stellt Felder klar.

«Ein verantwortungsvoller Jäger versucht vor allem, die Natur zu verstehen.»

Letztlich gehe es dem guten Jäger darum, das Gleichgewicht der Arten zu sichern. Im Zentrum stehen für den Jagdexperten Felder gesunde Biotope mit möglichst vielen verschiedenen Pflanzen- und Tierarten.

Mit Respekt und Sorgfalt auf die Jagd

Verantwortung, Respekt und Sorgfalt – diese Begriffe fallen häufig im Gespräch mit Hansruedi Felder. Und die Massstäbe einer ethischen Jagd setzt der besonnene Entlebucher nicht nur für sich selber; nein, er stellte sie auch an die Jungjäger, die er im Kanton Luzern während 35 Jahren als Dozent unterrichtet hat. Fast 2000 Kursteilnehmer, und somit praktisch alle derzeit im Kanton aktiven Jäger, holten sich bei Felder das Rüstzeug für das jagdliche Handwerk. Sie wurden durch seine Jagdphilosophie geprägt und haben seine Botschaften mitunter verinnerlicht: Der gute Jäger schnappt sich nicht mal schnell die Büchse und wähnt sich in einem Wettkampf um Trophäen. Der gute Jäger handelt mit Lust, List und Leidenschaft. Und vor allem verzichtet er im Zweifelsfall auf Beute.

Aufgewachsen auf einem Bauernhof in der heutigen Unesco-Biosphäre Entlebuch war der kleine Hansruedi von Kindsbeinen an mit der Natur vertraut. Regelmässig begleitete er den Vater und die älteren Brüder auf die Reviergänge und auf die Jagd. Frühmorgens, erinnert er sich, sei man aufgebrochen, um die balzenden Birkhähne zu erspähen, das Rehwild, den Hasen und Auerhahn zu beobachten oder um dem Buntspecht, Eichelhäher und Kuckuck zu lauschen. Heute aber gibt es viele Quereinsteiger. Leute, die erst mit 40 oder 50 und aus unterschiedlichen Motiven zur Jagd finden. Diesen Kursteilnehmern musste Felder jeweils erklären, dass Jagen ein hohes Mass an Pflichtbewusstsein, Verantwortung und Wissen voraussetze.

Eine Beziehung zu Wild und Wald entwickeln, sämtliche Sinne schärfen, die Komplexität der Natur verstehen, Geduld aufbringen, Grenzen kennen lernen – darum ging es Jagddozent Felder. Entsprechend lautete in seinem Modul «Jagdhandwerk, Wildbrethygiene und Brauchtum» das Motto: «Raus aus dem Schulzimmer, rein in die Natur; weg von der grauen Theorie, hin zur erlebnisreichen Praxis.» Dorthin also, wo der Auftrag an die Jäger, sich für die Natur und für die Tiere einzusetzen, real vermittelt werden konnte. Felder ist glaubwürdig, investiert er doch selber unzählige Stunden in die Hege und kennt so sein Revier wie die eigene Hosentasche. Ob ein Einsatz für die Rehkitzrettung, das Erstellen von Salzlecken oder die Errichtung des Baumschutzes – tatkräftig packt er mit an. Schliesslich kümmert der Naturfreund sich auch um den gezielten Schutz des Wilds entlang der Strassen. Allein im Kanton Luzern, gibt er zu bedenken, sterben pro Jahr fast 600 Rehe im Strassen- und Schienenverkehr. Für den Tierfreund Felder eine bedenklich hohe Zahl.

Apropos: Wie gestaltet sich sein Verhältnis zu Tierschützern, welche die Jagd als barbarisches Gemetzel verurteilen? Felder entgegnet:

«Mit radikalen und dogmatischen Ansichten habe ich meine Mühe.»

Er verortet sich politisch als liberal-sozial und will lieber mit Argumenten überzeugen als mit schrillen Tönen auffallen. Eine massvolle Jagd, davon ist er überzeugt, reguliert sinnvoll den Wildtierbestand, trägt zur Artenvielfalt bei, reduziert die Verbreitung gefährlicher Krankheiten und leistet einen Beitrag zum Naturschutz. Auch beim Thema Wolf oder Luchs ist Felder um eine differenzierte Sicht bemüht. Für ihn gibt es nicht einfach ein Pro oder Kontra, viel eher fragt er sich, ob und wie es möglich ist, dem Raubtier reglementiert und kontrolliert einen Platz im Schweizer Wald zu bieten.

Jagd hat sich verändert

Gerade weil der Druck auf den Wald immer höher wird, weil er Freizeitpark, Fitnesscenter und Rohstofflieferant zugleich sein soll, hat sich die Jagd verändert. «Auch zum Guten verändert», betont Experte Felder. Daran seien die Tierschutz- und Naturschutzorganisationen durchaus «mitschuldig», fügt er bei. Denn sie beobachten die Jagdszene kritisch und liegen ihr mit legitimen Anliegen immer wieder in den Ohren. Tierquälerei, da sei man sich seit jeher einig, habe im Wald und auf der Jagd nichts verloren.

Als Errungenschaften der Schweizer Jagd nennt Felder die gesetzlich vorgeschriebene Nachsuche, also die Pflicht, ein verletztes Tier mit dem Schweisshund aufzuspüren und zu erlösen. Den vor fünf Jahren schweizweit eingeführten periodischen Nachweis der Treffsicherheit hätte man seines Erachtens schon früher gesetzlich verankern dürfen; und zwar schlicht und einfach, weil regelmässiges Schiesstraining helfe, Fehlschüsse zu vermeiden.

Eine grosse Bedeutung misst er nicht nur einer soliden Gesetzgebung bei, sondern auch den weichen Faktoren: den Bräuchen und Ritualen. Sie prägen die hiesige Jagdkultur; darum hat er sie als Dozent stets thematisiert. Der letzte Bissen, das Verblasen der Strecke oder die Musik der Jagdhornbläser – sie mögen auf manchen antiquiert oder gar aus der Zeit gefallen wirken. Doch für Jagddoyen Felder sind diese Zeremonien unverzichtbar; es sind Zeichen der Achtung, Freude und Dankbarkeit. Dabei gehe es nicht um grossspurige Show, sondern um eine echte innere, ethische Haltung – um Stil also. Von Jägern, die den respektvollen Umgang mit Wald und Wild vermissen lassen, distanziert er sich gerne.

Felder sieht sich als eigentlicher Erlebnisjäger, als einer, der sich in der Natur – wie es einst Adolf Ogi so treffend formulierte – «ein Stück näher beim Herrgott fühlt». Kompetenz, Freundlichkeit und Bescheidenheit zeichnen ihn aus. Dass er in Österreich am Grossglockner ein Gebirgsrevier mitpachtet, erwähnt er im Gespräch nur nebenbei, und erst noch mit leiser Stimme.

Auch dass der von ihm gegründete Familienbetrieb – die Felder Jagdhof AG – ein weitum geschätztes Fachgeschäft für Jagd und Schiesssport ist, soll keinesfalls an die grosse Glocke gehängt werden. Denn, das sei ja nicht alleine sein Verdienst, sondern dasjenige seiner Familie und der Mitarbeitenden. Und dass er gleich mehrere Produkte erfunden und entwickelt hat, relativiert er auch sofort:

«Ach, das hat sich so ergeben. Wenn wir merkten, dass für die Jagd etwas fehlte, haben wir so lange getüftelt, bis ein markttaugliches Produkt vorlag.»

Zu erwähnen wäre ein um 360 Grad drehbarer «Multifunktionskopf», der sowohl als Spektiv- wie als Gewehrauflage dient. Oder ein Gewehrriemen, der dank dreier Zusatzschlaufen das Schiessen in unterschiedlichen Positionen erleichtert.

In wenigen Tagen händigt Hansruedi Felder mit seinen Kollegen der Jagdkommission den Jungjägerinnen und Jungjäger des Kantons Luzern zum letzten Mal die Diplome aus. Mit diesem feierlichen Akt geht nicht nur ein hochkompetenter und leidenschaftlicher Dozent in Pension, sondern ein Mann, der für viele Vorbild bleibt und der – um ein Bild aus der Tierwelt zu wählen – deutliche Spuren hinterlassen hat.

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