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Nidwalden

Die Hammenbahn ist familiär und international zugleich

Die Hammenbahn in Emmetten ist eine der frühesten und steilsten Luftseilbahnen im Kanton Nidwalden. Seit mehr als 100 Jahren befördert sie die Milch der Familie Würsch ins Tal. Aber auch Gäste aus aller Welt schätzen die Bahn.
Die Aussicht vom einzigen Masten der Hammenbahn auf genau 1000 Metern über Meer auf Emmetten und den Vierwaldstättersee. (Bilder: Romano Cuonz (Emmetten, 2. August 2018))
Die Besitzerfamilie Würsch mit Mathias, Erna und Andrea Würsch.
Die Hammenbahn wurde 1911 erbaut und ist eine der ältesten und steilsten Bahnen in Nidwalden.

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Romano Cuonz

«Wenn ich nach langen Reisen in viele Länder der Welt wieder bei der Talstation des Hammenbähnchens ankomme, das braune Kästchen öffne, an der Kurbel drehe und dann den Hörer abnehme, ist es, wie wenn der Himmel eine Telefonverbindung hätte», sagt Martin Hess. Er ist der Leiter des Volksmusikfestivals «Obwald». Sein kleines «Daheim» aber steht auf dem Hammen in Emmetten auf 1030 Meter über Meer.

Will Hess nicht den stotzigen und beschwerlichen, halbstündigen Fussweg hinaufkraxeln, ist er auf das Bähnchen der Familie Würsch angewiesen. «Salü Erna, kannst du seilen?» ruft er in den Hörer. Darauf sie: «Ja, sitz rein!» Irgendwann gibt es einen Ruck und das Bähnchen fährt los. Und Hess sinniert: «Noch habe ich die ganze Welt im Kopf, doch diese Bergfahrt ist wie eine Fahrt zu mir. Bis ich oben bin und bei meinem Häuschen ankomme, habe ich erkannt, was für mich wichtig und was unwichtig ist.»

Bahn ist die einzige Verbindung ins Tal

Die frühere Hauswirtschafts- und Turnlehrerin Erna Würsch lebt seit 33 Jahren im «Bergheimet» Hammen. Seit ihr Mann Walter vor zwei Jahren gestorben ist, bewirtschaftet sie das Bauerngut mit sechs Kühen, Schafen und seltenen Pro-Specie-Rara-Ziegen zusammen mit ihrem Sohn Mathias. Dieser ist gelernter Schreiner. Wenn man Fahrten mit der Pendelbahn Egg-Hammen vereinbaren will, hat man meist Erna Würsch am Apparat. «Ein bisschen Liebe ist es schon», sagt sie, wenn sie die rustikale, aus grünen Brettern gezimmerte Kabine betrachtet. Weil ja zum Hammen keine Fahrstrasse führe, sei das Bähnchen die einzige vernünftige Verbindung ins Tal. Vor allem im Winter.

«Erbaut hat es – kurz vor dem Ersten Weltkrieg – der Seilbahnbauer Remigi Niederberger aus Dallenwil. Im Auftrag unserer Familie», erzählt Erna Würsch. «Unsere Bahn ist auch nach verschiedenen Ersatz- und Umbauten – in den Jahren 1966 und 1992 – stets auf Null abgeschrieben worden», betont sie. Trotz Subventionen vom Bund habe die Familie den Löwenanteil der Kosten jeweils selber getragen. Die Einkünfte, die die Bahn bringt, sind mehr als bescheiden. «Zurzeit sind wir froh, dass die Bewilligung auf zehn weitere Jahre erteilt ist», sagt die alleinige Besitzerin.

Hammenbahn ist eine der steilsten im Kanton

Was technische Daten angeht, ist Sohn Mathias im Bild. «Ich habe meinem Vater von klein auf bei allen Revisionsarbeiten geholfen, ja sogar beim Schmieren des Seiles oder beim Malen des einzigen Mastes in schwindelnder Höhe», sagt er stolz. Die Hammenbahn von 1911 sei eine der frühesten und steilsten Nidwaldner Luftseilbahnen. Oben schwebe sie fast senkrecht zur Bergstation. «Wie alle damaligen Bahnen funktioniert sie mit Gegenballast und bringt jeden Morgen meine Milchkannen ins Tal», sagt Würsch.

Unfälle habe es mit der Bahn in all den Jahren nie gegeben. Zwar sei Vater Walter Würsch wegen einer Panne einmal kurz vor der Talstation aus einigen Metern Höhe abgesprungen. Dabei sei er aber heil geblieben. Ein anderes Mal habe sich das Seil verwickelt und in der Folge sei der Wagen leicht ausgehängt. «Alles Kleinigkeiten», lacht Mathias Würsch.

Seine jüngere Schwester Andrea – sie hat genau wie er den Schulweg ins Dorf über all die Jahre mit der Luftseilbahn gemacht – erinnert sich an einige Schreckensminuten. Es war am Weihnachtstag. Eben hatte die Familie im Dorf an einem Krippenspiel teilgenommen, bei dem Andrea mitspielte. Während der Rückfahrt kam dann starker Wind auf. «Unter dem Masten stellte der Sturm das Bähnchen regelrecht auf,» erzählt Andrea Würsch. Und ihre Mutter ergänzt: «Wir mussten uns alle festhalten, doch mit Glück kamen wir heil in die Station.»

Hess bringt Auswärtige zur Hammenbahn

«Viele meiner Obwald-Gäste aus Afrika, Mittelamerika oder Asien wollen jeweils wissen, wo ich selber zu Hause bin», berichtet der «Stammkunde» Martin Hess. Dann nehme er sie gerne mit auf den Berg. Dunkelhäutige vom abgelegenen Volk der Dogon in Mali hätten zuvor noch nie ein Bähnchen gesehen. «Doch sie setzten sich rein und strahlten übers ganze Gesicht», erzählt Hess. Für solche Fahrten entferne er jeweils das Plexiglas und mache aus dem Bähnchen eine Art «Cabriobahn».

Nie vergessen wird Hess, wie die damals 94-jährige Sängerin Bi Kidude aus Sansibar nicht genug bekommen konnte. «Ich will gleich nochmals fahren!», sagte sie zu mir, erinnert sich Hess. Die einzigen, die Angst gehabt hätten, seien die sonst so stolzen andalusischen Zigeuner und Flamencotänzer gewesen. «Sie, die auf der Bühne nichts erschüttern konnte, liefen lieber hinauf», lacht Hess.

Dies ist der letzte Beitrag unserer Serie zu den Bahnen im Kanton Nidwalden. Alle bisher erschienenen Beiträge der Sommerserie «Die kleine Bahn» finden Sie hier.

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