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Nidwalden

«Ich meinti»: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer

Eine bekannte Redewendung. Ist sie aber auch noch zeitgemäss? Denn die Zahl der Schwalben scheint in den vergangenen Jahren abgenommen zu haben. «Ich meinti»-Kolumnistin Franziska Ledergerber hat die Redewendung deshalb angepasst.
Franziska Ledergerber, Hausfrau und ausgebildete Lehrerin, Hergiswil. (Bild: Nidwaldner Zeitung)

Franziska Ledergerber

Elegant und in hohen Tempi flitzten die Schwalben auf ihrer unermüdlichen Jagd nach Insekten über die Seeoberfläche. An ihrer jeweiligen Flughöhe kann man erkennen, ob ein Wetterwechsel angesagt ist. Fliegen die Vögel tief, kündet sich Regen an, meistens begleitet von einem Gewitter. Bei einer stabilen, warmen Hochdrucklage segeln sie hoch und bleiben fast nur noch als Punkte am Himmel sichtbar.

Den ganzen Sommer über fliegen sie den Schnabel voller Insekten zu ihren Nestern, wo ihnen die unersättlichen Jungtiere ihre offenen, orangen Schnäbel entgegenstrecken. Für die Elterntiere ist diese Zeit sehr intensiv und kräfteraubend. Doch das hat seinen Grund, denn in wenigen Monaten müssen die Jungvögel kompakt heranwachsen, damit sie im Herbst den langen Flug über das Mittelmeer nach Afrika meistern können.

Solche Beobachtungen konnte man früher vermehrt anstellen. Es gab im Sommer allgemein viel mehr Schwalben als heute. Ob sie nun knapp über der Seeoberfläche segeln oder hoch in die Lüfte steigen, immer waren sie in Schwärmen unterwegs. Doch heute kann ich, und konnte auch in den letzten, vergangenen Sommern, nur noch vereinzelte Exemplare ausmachen. Ihre Nester sind rarer geworden. In unseren Dachsparren bleiben sie gänzlich aus.

Die Redewendung «Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer» bezieht sich auf eine Fabel von Aesop: Ein Mann verkauft seinen Mantel, weil er nach der Sichtung einer einzelnen Schwalbe im Vorfrühling davon ausgeht, dass der Sommer naht. Es bleibt jedoch weiterhin kalt. Ohne seinen Mantel muss er nun frieren und die zu früh zurückgekehrte Schwalbe liegt erfroren am Boden. Mit anderen Worten: Man soll keine voreiligen Schlüsse ziehen, denn ein einzelnes positives Anzeichen, ein hoffnungsvoller Einzelfall lassen noch nicht auf eine endgültige Besserung der Situation schliessen.

Nun ist es Sommer und die Schwalben, die als positive Anzeichen gedeutet werden können, sind weiterhin nur noch als vereinzelte Individuen anzutreffen. Würde man dieser Logik folgen, hätten wir auch diesen Sommer keinen Grund, hoffnungsvoll und froh zu sein. Vielleicht wird es zu heiss, zu trocken mit gleichzeitigen Hochwasserschüben. Die Gletscher schmelzen eh vor sich hin.

Um die Metapher dieser Redewendung «zeitgemäss» wieder ins Lot zu bringen, könnten wir doch die Schwalbe einfach mit Motorboot auswechseln, denn es scheint, dass deren Anzahl proportional zur Abnahme der Schwalbenpopulation steigt. Ähnlich den Schwalben, sind sie im Vorfrühling nur vereinzelt anzutreffen, und es wäre sicherlich ein Fehler, deswegen den Wintermantel zu verkaufen. Im Sommer kehren die Motorboote dann armadagleich aus ihren Winterquartieren zurück und flitzen in hohen Tempi über den See. Wellen, die manchen Ruderer wieder an den Steg zurück katapultieren, breiten sich über das flache Wasser aus.

Vielleicht könnte man den Schlager aus den Sechzigern etwas modifizierter einspielen: «Ein Motorboot macht noch keinen Sommer, und ein Kuss muss nicht die grosse Liebe sein. Darum warte ich auf tausend Küsse, tausend Motorboote und den Sonnenschein.»

Ach, du lieber Schwan!

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