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Nidwalden

Isabelle Kaisers Briefwechsel mit Carl Spitteler

Die Nidwaldner Schriftstellerin Isabelle Kaiser und Nobelpreisträger Carl Spitteler verband eine tiefe Freundschaft. Die Sängerin Caroline Vitale wollte mehr dazu wissen.
Die Buochser Opernsängerin Caroline Vitale. (Bild: Romano Cuonz (Buochs, 23. Oktober 2020))

Romano Cuonz

Die Geschichte, die die Buochser Opernsängerin Caroline Vitale während des Coronalockdowns erforscht hat und nun mit einem Ad-hoc-Ensemble inszeniert, ist hoch spannend. Im Mittelpunkt steht die Nidwaldner Schriftstellerin Isabelle Kaiser(1866–1925). Diese hat eine Zeit lang in der Beckenrieder Ermitage gelebt. Ihre Werke wurden damals in ganz Europa gelesen, doch heute sind sie nahezu vergessen. Zur gleichen Zeit arbeitete in der Luzerner Villa Wilhelmina Literatur-Nobelpreisträger Carl Spitteler (1845–1924). Dass zwischen den beiden eine Seelenverwandtschaft bestand, war bislang nur wenig bekannt. Nun erzählt und besingt die Mezzosopranistin Caroline Vitale – zusammen mit Walter Sigi Arnold und Franziska Senn (Texte und Schauspiel) und begleitet vom Pianisten Edward Rushton – diese Geschichte in einer musikalisch-literarischen Soiree. Der Titel «Siegreiche Seelen» stammt aus Spittelers Widmung zu Isabelle Kaisers 50. Geburtstag.

Seltsame testamentarische Verfügung

Beinahe wie eine Kriminalkommissarin ging Caroline Vitale zu Werk, als sie beschloss, die Geschichte dieser grossen Freundschaft für eine neue Musiktheaterproduktion aufzuarbeiten. Ein Bild von 1904 zeigt, wie Carl Spitteler und Isabelle Kaiser vor der Ermitage flanieren. Es lag also auf der Hand, dass sich die beiden während ihrer 30 Jahre dauernden Freundschaft auch Briefe geschrieben hatten. Nur: Briefe suchte Caroline Vitale im Nachlass von Isabelle Kaiser vergeblich. Hingegen fand sie in einer Schublade ihr Testament. Darin verfügte die Dichterin, dass nach ihrem Tod alle Privatbriefe vernichtet werden müssten. «Diesen Wunsch haben die Nachkommen respektiert», bedauert Vitale. Carl Spitteler aber bewahrte alles, was er von Isabelle Kaiser erhalten hatte, sorgsam auf. Im Schweizerischen Literaturarchiv in Bern fand Caroline Vitale rund 80 Briefe und Karten, alle in französischer Sprache geschrieben. Die Sängerin begann mit der aufwendigen Übersetzungsarbeit. «Es war so interessant, dass ich die Geschichte auch einem Publikum erzählen wollte», sagt sie.

Grosses Puzzle aus Originaltexten

Bald konnte sie auch den Urner Schauspieler, Sprecher und Texter Walter Sigi Arnold begeistern. Ab jetzt machten sich die beiden gemeinsam an die Arbeit.

Auf dem Tisch lag ein ganzer Stapel Briefe von Isabelle Kaiser an Carl Spitteler, nicht aber dessen Antworten an sie. «So mussten wir in autobiografischen Texten, Widmungen, Reden oder Gedichten Carl Spittelers nach Bezügen zu Isabelle Kaiser suchen und all die Originaltexte zu einem grossen Puzzle zusammenfügen», sagt Caroline Vitale.

Als erfahrener und kluger Dramaturg wob Walter Sigi Arnold einen Faden. Caroline Vitale aber brachte ihr musikalisches Wissen und Flair ins Spiel. So gelingt es, die Freundschaft der beiden Zentralschweizer Dichterpersönlichkeiten auf erstaunlich verständliche und spannende Weise nachzuzeichnen. Zum Erfolg trägt auch Franziska Senn ganz wesentlich bei. Ihr gelingt es im Wechselspiel mit Walter Sigi Arnold, dem Publikum die verschiedensten Texte zu Hörerlebnissen zu machen.

Charakteristisches Markenzeichen bei Caroline Vitales Eigenproduktionen sind aber stets die Lieder, die sie einbaut. Vitale sucht und entdeckt sie in Archiven und Bibliotheken. Studiert sie ein und trägt sie dann, am Klavier begleitet von Edward Rushton, mit ihrem klaren und lyrischen Mezzosopran vor. An der Soiree sind einerseits einige vom Schweizer Komponisten Othmar Schoeck vertonte Gedichte Spittelers zu hören. Überraschend aber ist, wie viele, meist nur wenig bekannte Komponistinnen und Komponisten Gedichte von Isabelle Kaiser vertont haben. Meist im französischen Liedstil: einmal konservativ und eingängig, einmal expressiv und gewagt modern. Es ist eine Soiree voller Entdeckungen, vor allem auch von bislang Unbekanntem.

«Siegreiche Seele – musikalisch-literarische Soiree» im grossen Saal der Ermitage Beckenried, 27. Oktober, 19.30 Uhr. Eintritt 35 Franken; Reservation erforderlich. Infos: www.kulturverein-ermitage.ch

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