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Nidwalden

Nidwalden möchte seine dunkle Vergangenheit aufarbeiten

Mit einem 2017 beschlossenen Bundesgesetz sollen die Schicksale von Kindern und Jugendlichen, die bis 1981 als billige Arbeitskräfte verdingt wurden, aufgearbeitet werden. Nun möchte auch der Kanton Nidwalden ein entsprechendes Projekt durchführen.
Der 2020 erschienene Film «Hexenkinder» dokumentiert die Schicksale tausender von Kindern und Jugendlichen, die in der Schweiz als billige Arbeitskräfte verdingt wurden. (Bild: PD / «Hexenkinder»)
Gesundheits- und Sozialdirektorin Michèle Blöchliger. (Bild: PD)

Kristina Gysi

Kristina Gysi

Bis 1981 wurden schweizweit Zehntausende Kinder und Jugendliche auf Bauernhöfen, in streng geführten Heimen oder in geschlossenen Einrichtungen als billige Arbeitskräfte verdingt. Dort leisteten sie unter teilweise miserablen Bedingungen Zwangsarbeit. Oft litten die jungen Menschen unter psychischer oder physischer Gewalt, wurden misshandelt, ausgebeutet oder gar sexuell missbraucht. Hinzu kam die forcierte und somit qualvolle Trennung von der eigenen Familie. Den Betroffenen standen keine rechtlichen Mittel zu Verfügung, mit denen sie sich gegen dieses Vorgehen hätten wehren können.

Auch hier möchte man ein Zeichen setzen

Am 1. April 2017 ist das Bundesgesetz über die Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 in Kraft getreten. Durch dieses Gesetz soll das Leid, das den Opfern widerfahren ist, anerkannt und wieder gutgemacht werden. Im Kanton Nidwalden wurde das Thema bisher noch nicht systematisch untersucht. Jedoch liegen eindeutige Hinweise vor, dass es auch hier zu Missbrauch und Gewalt gegenüber Verdingkindern gekommen ist, wie die Staatskanzlei Nidwalden in einer Mitteilung schreibt.

Nun will der Regierungsrat zusammen mit den politischen Gemeinden und den Landeskirchen die Geschehnisse vor 1981 ebenfalls aufarbeiten lassen. Laut Gesundheits- und Sozialdirektorin Michèle Blöchliger soll dieses Zeichen dazu beitragen, dass das erlittene Leid im Bewusstsein der Öffentlichkeit bleibt und sich solches Unrecht nicht wiederholt. Geplant ist, das Thema wissenschaftlich zu beleuchten und Betroffene zu Wort kommen zu lassen. Daraus soll eine Publikation entstehen, die von unabhängigen Personen erarbeitet wird und sich vor allem an ein regionales Publikum richtet. Zudem solle die Veröffentlichung möglichst zeitnah erfolgen, solange die Betroffenen noch leben. Im Verlauf von 2024 soll das Werk publiziert werden. Vorgesehen ist ein Buch in einem handlichen Format, wie Blöchliger verrät. Details seien noch offen.

Person mit Vorkenntnissen soll involviert werden

Für die Arbeiten rund um die Publikation wird laut der Mitteilung mit Kosten von insgesamt 360'000 Franken gerechnet. Rund 300'000 Franken davon machen die Forschungsarbeiten aus. Für diese liegt ein Angebot der Uni Bern vor. «Die Person, die uns hierfür vorschwebt, hat bereits wertvolle Vorkenntnisse über den Kanton Nidwalden, da sie bereits in anderen regionalen Projekten mitgewirkt hat», so Blöchliger. Zu den Forschungsarbeiten gehören einerseits Recherchen im Staatsarchiv sowie persönliche Gespräche mit betroffenen Menschen. Diese seien teilweise bereits durch Gesuche um die gesetzlich verabschiedeten Solidaritätsbeiträge bekannt, die der Bund ausbezahlt hat.

Laut Blöchliger würden die Aufarbeitung und das geplante Werk «von dauerndem Wert sein». Es bestehe die Hoffnung und es sei das Ziel, dass die Publikation eine wichtige Grundlage sein werde für eine breite, öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema. «Mit diesem Werk würde man den Opfern das Wort und ein Gesicht geben», so Blöchliger. So könne man die Thematik in den Köpfen der Leute verankern und Verantwortung dafür übernehmen.

Auch Kirchen könnten sich finanziell beteiligen

50'000 Franken für das Projekt hat der Regierungsrat bereits aus dem Fonds «Alkoholzehntel» gesprochen, die verbleibenden Kosten werden dem Landrat als Objektkredit beantragt. Die politischen Gemeinden beteiligen sich mit total 96'000 Franken am Projekt. Zudem haben die katholische und die evangelisch-reformierte Kirche signalisiert, ebenfalls einen Beitrag zu sprechen. Dies erfordert jedoch noch die Genehmigung des Budgets durch die Kirchgemeindeversammlungen im kommenden Herbst.

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