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Nidwalden

Wunsch und Wirklichkeit

Franziska Ledergerber schreibt in ihrem «Ich meinti» über die Bundesratswahl und Berufswünsche zur Jugendzeit.
Franziska Ledergerber.

Franziska Ledergerber

Kinder können einen doch immer wieder mit unerwarteten Gedanken und Ideen überraschen. Letzthin waren wir bei Freunden zu Gast. Diese beziehen schon seit Jahrzehnten ihr Mineralwasser von einem Lieferanten frei Haus. Als ihr Sohn noch klein war, erzählten sie, hätte er jeweils interessiert dem Lieferanten zugeschaut, wie er die schweren Harassen die Treppe hoch zu ihrem Hauseingang trug. Nach einer erfolgten Lieferung hätte er den Eltern verkündet, dass er später einmal Chefmineralwasserlieferant werden möchte.

Welch ein Wort aus dem Munde eines fünfjährigen Kindes. Obwohl es sich kompliziert anhört, dachte der Knirps mit Sicherheit nicht an die geschwurbelte, ökonomische Definition eines «Lieferantenmanagements in einem Unternehmen», die ich einer Internetwebsite entnahm: «Ein ganzheitlich, integriertes Lieferantensystem mit einer konzernweit einheitlichen Bewertungssystematik und der Ermittlung des Strategischen Status, das die Basis für die gemeinsame Optimierung der Wertschöpfungskette mit dem Lieferanten schafft». Uff!

Eine etwas ähnliche, inhaltlich jedoch anders gelagerte Episode von früher kam uns da spontan in den Sinn: Der Pöstler lieferte vor Jahren ein schweres, grosses Paket ab. Unser Ältester, damals etwa sechs Jahre alt, half beim Auspacken. Es waren frischgedruckte Weinbücher. Der Kleine sah das Porträt meines Mannes hinten auf dem Einband eines Buches. Voller Bewunderung rief er: «Was, so schwere Bücher hast du geschrieben!» Es waren wohl keine Mineralwasserharassen, die der Pöstler da heranschleppte, aber die Bücher hatten zweifellos Gewicht.

Lustig ist auch immer wieder zu hören, was Kolleginnen und Kollegen als Kind für Berufswünsche hatten. Ein mir bekannter Journalist wollte, nachdem er den Film «Zeugin der Anklage» im TV gesehen hatte, Strafverteidiger werden. Natürlich hätte er nur unschuldig Angeklagte mit seinen fulminanten Plädoyers beglückt. Ein Bekannter, seit dreissig Jahren leidenschaftlicher Weinhändler, antwortete auf meine Frage nach seinen kindlichen Berufswünschen, ohne zu zögern: Baggerführer! Seine Familie hätte damals in einem neuen Quartier mit vielen Baustellen gewohnt. Da hätten ihn die grossen Bagger sehr beeindruckt. Seine Tischnachbarin erzählte mir mit glänzenden Augen, sie hätte Schlagersängerin werden wollen. Heute ist sie Wirtin. Per SMS liess mich ein junger Philosoph mit einem Zwinker-Smile wissen, dass er gerne Zoowärter geworden wäre. Eine Freundin aus Lehrerseminarzeiten schrieb per Mail: Lehrerin !!! Ganz einfach, mit drei Ausrufezeichen.

Mein Berufswunsch war Bäuerin. Im Alter von ungefähr neun Jahren half ich lieber unseren Nachbarn in ihrem landwirtschaftlichen Betrieb Kühe putzen, Gras in die Krippe zetteln oder den Stall ausmisten, als daheim Hausaufgaben zu machen. Einmal durfte ich gar ein Lamm mit der Milchflasche aufziehen helfen. Als es mir von ganz oben von der Weide her entgegenrannte, war ich sehr berührt und schloss es in meine Arme. Kürzlich hörte ich von einem Bundesratskandidaten, er hätte bereits als Bub schon Bundesrat werden wollen. Dieses Geheimnis entstammt nicht etwa der Enthüllungsplattform Wi(c)kiLeaks, sondern die Amsel pfiff es von den Zinnen des Munots. Bundesrat zu werden, ist wahrlich ein ambitionierter Berufswunsch, der letztlich nicht jedem in Erfüllung gehen kann. Nun steht es Drei zu Vier in Bern, das ist doch formidabel!

Franziska Ledergerber, Hausfrau und ausgebildete Lehrerin, Hergiswil, äussert sich an dieser Stelle abwechselnd mit anderen Autoren zu einem selbst gewählten Thema.

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