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Obwalden

Erwachsene sind nur erwachsener

In ihrem letzten «Ich meinti» beschäftigt sich Anna Burch mit den vielen Facetten des Erwachsenwerdens.
Anna Burch .

Anna Burch

Als Kind versteht man vieles nicht, was die Erwachsenen tun oder eben nicht tun. So habe ich nie verstanden, weshalb Erwachsene so oft Stress haben, weshalb Süssigkeiten immer erst nach dem Mittagessen erlaubt sind und weshalb zwar alle über den Klimawandel sprechen, jedoch niemand etwas dagegen unternimmt – wo mir als Kind doch bereits die Gedanken daran den Schlaf raubten. Mit meinen knapp 24 Jahren esse ich nun meinen Nachtisch auch freiwillig erst nach dem Mittag, bin zugegeben manchmal etwas gestresst und ich merke, wie auch ich die Gedanken an die Erderwärmung verdränge, ohne meine Verhaltensmuster gross zu ändern. Nun gut, ich lebe seit gut zehn Jahren vegetarisch, versuche nicht zu fliegen und meinen Plastikverbrauch zu reduzieren. Aber die Wahrheit ist, dass auch ich erwachsener geworden bin – jedenfalls an den Massstäben meines jüngeren Ichs gemessen.

Es ist jedoch nicht so, dass ich mich wahnsinnig erwachsen fühlen würde. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich überhaupt komplett erwachsen werden möchte: Erwachsene sind gestresst, haben Geldsorgen und sterben bald. So frage ich mich oft: Wie genau merkt man denn, dass man erwachsen ist? Bin ich es schon, werde ich es noch?

Rechtlich gesehen, ist man mit dem Erreichen des 18. Lebensjahrs erwachsen. Man kann abstimmen gehen, darf das Autofahren erlernen und das Gesetz erlaubt einem den Kauf von Zigaretten und Hochprozentigem. Dadurch eröffnen sich neue Möglichkeiten und man wird unabhängiger. Unabhängiger von Mamis Fahrdienst und von älteren Geschwistern, welche einem den Schnaps besorgen. Doch erwachsen ist man deswegen noch lange nicht. Zu Hause ausziehen ist ein weiterer Schritt, welcher einem als Schwelle zum Erwachsensein vorkommen kann. Doch ist man ganz ehrlich, ist es eher ein Schritt zurück. Wird das Wohnen und damit das Leben dadurch zunächst erstmal unvernünftiger, chaotischer und ungesünder. Auch das Absolvieren einer Ausbildung oder Unistudiums mag auf den ersten Blick ziemlich erwachsen wirken, doch Tatsache ist, dass man sich dafür an den Wochenenden oder spätestens in den Sommerferien richtig gehen lässt und mit allem belohnt, was im ordentlichen Erwachsenenleben keinen Platz mehr hat. Was, wenn wir alle noch Kinder sind, welche sich für den Job, die Beziehung oder die Familie einfach ein wenig zusammenreissen?

Es ist also nicht ganz einfach mit dem Erwachsenwerden. Denn älter wird man von allein, erwachsen jedoch nicht immer. Es ist auch nicht einfach: So soll man zwar schnell vernünftig werden, auf eigenen Beinen stehen und mit 25 Jahren bereits an die Vorsorge denken. Gleichzeitig wollen alle möglichst lange jung bleiben und vor allem so aussehen. Wie lässt sich diese Diskrepanzlücke füllen? Und was bedeutet es, erwachsen zu sein?

Erwachsensein bedeutet, sein Leben in die Hand zu nehmen ohne es dabei zwingend im Griff haben zu müssen. Es bedeutet, Verantwortung für sich und seine Umwelt zu übernehmen, wobei das mit der Umwelt nicht von allen gleich ernst genommen wird. Es ist kein Endzustand, sondern vielmehr eine Reise, ein Prozess, welcher sich über das ganze Leben erstreckt – wie eine Asymptote, welche sich einer Geraden nähert, diese jedoch nie berühren wird. Und das ist durchaus positiv, denn das Kindliche in uns ist etwas Wertvolles, welches uns dabei hilft, die Wunder des Lebens überhaupt noch wahrnehmen und geniessen zu können. Erwachsenwerden bedeutet aber auch, seine Ziele zu verfolgen, Neues zu wagen und über die eigenen Grenzen hinwegzudenken.

Für mich konkret bedeutet es, nach Paris zu ziehen, Französisch zu lernen, um dort mein Masterstudium in Umweltpolitik zu beginnen und meinen persönlichen Zielen einen Schritt näher zu kommen. Meinem kindlichen Ideal folgend, nicht einfach wegzusehen, sondern den Klimawandel in seiner Vielschichtigkeit zu verstehen und etwas dagegen zu unternehmen – sei es auch nur ein elementarer Beitrag. Aus diesem Grund ist es an diesem Punkt Zeit für mich, auf Wiedersehen zu sagen und mich bei meinen Leserinnen und Lesern für die Treue und das Interesse zu bedanken. Das letzte Wort überlasse ich dabei Erich Kästner, nach welchem nur wer erwachsen wird und dabei ein Kind bleibt, auch ein Mensch ist. Denn grundsätzlich ist man als Erwachsener nur erwachsener. Nicht viel mehr.

Unsere sechs «Ich meint»-Autoren schreiben abwechselnd über ein von ihnen frei gewähltes Thema. Mit diesem Beitrag verabschiedet sich Anna Burch aus dieser Reihe. Wir danken ihr für die interessanten Gedanken, die wir mit ihr teilen durften.

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