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Obwalden

Jetzt redet der Obwaldner Gerichtspräsident: «Ich fühle mich nicht fair behandelt»

Nicht er, sondern die Fallverteilung sei schuld an der Pendenzenlast seiner Abteilung, sagt Kantonsgerichtspräsident II Roland Infanger. Es treffe ihn, «dass trotz aller Anstrengungen nun diese massiven Vorwürfe gegen meine Person erhoben werden».
Roland Infanger, Kantonsgerichtspräsident II, nimmt Stellung zu den Vorwürfen der Parteien an seiner Arbeit. «Das ist kein personelles Problem, sondern ein strukturelles.» (Bild: Corinne Glanzmann (Sarnen, 11. Dezember 2019))
Roland Infanger.

Franziska Herger

Franziska Herger

Roland Infanger steht unter Beschuss. Die jahrelange hohe Pendenzenlast in seinem Präsidium ist dem Kantonsgerichtspräsidenten II zum Verhängnis geworden: Für die Wahlen vom 9. Februar portieren die Parteien die Gegenkandidatin Andrea Imfeld-Gasser neben den beiden Bisherigen Monika Omlin und Lorenz Burch. Infanger, der 2013 entgegen der Empfehlung der Rechtspflegekommission und nur mit Unterstützung der SVP gewählt wurde, könne man definitiv nicht unterstützen, so die Parteien.

Die hohen Zusatzkosten von über einer Viertelmillion Franken durch zusätzliche Stellenprozente im Präsidium II und die langen Wartezeiten müssten Konsequenzen haben. Infanger selber sieht die Lage anders, wie er im Interview ausführt.

Die Parteien werfen Ihnen Führungsschwäche und permanente Überforderung vor. Was sagen Sie dazu?Roland Infanger: Ich war sehr konsterniert, als ich die Mitteilung der Parteien gelesen habe. Ich finde sie haltlos, sachlich unbegründet und fühle mich nicht fair behandelt. Wer die Sachlage kennt, kann nicht zum gleichen Schluss kommen wie die Parteien. Wir haben im Präsidium II den tiefsten Pendenzenstand seit Jahren und konnten auch überjährige Fälle massiv abbauen. Dadurch wurden die Bearbeitungsfristen markant gesenkt. Es trifft mich, dass trotz aller Anstrengungen nun diese massiven Vorwürfe gegen meine Person erhoben werden.Was hat Ihrer Ansicht nach zur Position der Parteien geführt?Entweder sind die Parteien über die Sachlage nicht genügend im Bilde, oder ich kann nur darauf schliessen, dass hier die Gelegenheit ergriffen wird, einen schon vor sechs Jahren unliebsamen Gerichtspräsidenten loszuwerden.Stichwort Pendenzenlast: Warum ist sie gerade in Ihrem Präsidium so hoch?Das ist kein personelles Problem, sondern ein strukturelles. Das Präsidium II hat mit Abstand am meisten Fälle zu behandeln. Wir sind für alle Fälle aus dem Erwachsenenstrafrecht und dem Schuldbetreibungs- und Konkursrecht zuständig sowie für arbeitsrechtliche Streitigkeiten und Zivilforderungen bis zu 30'000 Franken. Das sind 300 bis 390 Fälle im Jahr.

«Zwei Jahre lang hatten wir gar mehr Fälle als die anderen Präsidien zusammen.»

In sechs Jahren haben wir 1900 Fälle erledigt. Der Output war gut, aber er hat leider nicht immer gereicht.Warum erhielt Ihre Abteilung so viele Fälle?Das ist im Geschäftsreglement so vorgesehen. In Artikel 13 steht aber auch, dass die Geschäftslast gleichmässig verteilt werden soll und die drei Präsidien bei Überlastung verpflichtet sind, einander auszuhelfen. Hier war es wohl kein Vorteil, dass ich parteilos bin. Die Politik hat nicht sichergestellt – wie wir intern auch nicht –, dass der Aufwand in allen drei Präsidien gleich hoch ist.Haben denn die zusätzlichen Stellenprozente für Gerichtsschreiberinnen keine Erleichterung gebracht?In der Fallbearbeitung durchaus. Das hat aber dazu geführt, dass wir dieses Jahr einen sehr hohen Verhandlungsrhythmus hatten mit teils sehr grossen Straffällen. Es war schlicht zu viel.Ihnen werden auch die Zusatzkosten von 250'000 Franken angekreidet.Das ist für mich in der Höhe nicht ganz nachvollziehbar. Im September 2016 wurde für ein Jahr eine 60-Prozent-Aushilfsstelle bewilligt, 2019 erneut für ein Jahr eine 100-Prozent-Aushilfsstelle. Hier sind kaum Lohnkosten von 250'000 Franken angefallen. Allfällige Zusatzkosten durch meinen krankheitsbedingten Ausfall seit September können mir zudem sicher nicht vorgeworfen werden.Nun hat sich die Pendenzenlast stabilisiert. Für 2020 ist jedoch keine zusätzliche Gerichtsschreiberstelle mehr vorgesehen. Wie geht es weiter?Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die jetzige Stabilisierung halten können. Eine wirksame Entlastung bringt aber nur eine gleichmässigere Verteilung der Fälle. Im Sommer haben die drei Gerichtspräsidien daher entschieden, ein Jahr lang die Zivilfälle bis 30000 Franken durch drei zu teilen. Dann wird man eine Standortbestimmung machen und die Zuteilung überprüfen. Das erwähnte strukturelle Problem lässt sich so lösen. Dann braucht es auch keine Aushilfsstellen mehr, mit Vorbehalt grosser Wirtschaftsdeliktfälle.Die Parteien hatten auf stille Wahlen gehofft.Das stimmt. Ich weiss auch, dass sie seit Monaten nach einem Gegenkandidaten gesucht haben. Drei Wochen nach meiner Erkrankung forderten sie meinen Rücktritt. Andernfalls werde man eine Gegenkandidatur unterstützen. Die Parteien haben mit mir nie inhaltlich das Gespräch gesucht.Wie geht es Ihnen gesundheitlich? Wären Sie bereit für eine weitere Amtszeit?Meine gesundheitlichen Probleme hatten mit der enormen Arbeitsbelastung insbesondere im laufenden Jahr zu tun. Ich fühle mich nun gesundheitlich wieder fit. Ein baldiger beruflicher Wiedereinstieg ist sehr realistisch.

«Ich habe mir meine Kandidatur gut überlegt und würde nicht wieder antreten, wenn gesundheitliche Gründe dagegen sprächen.»

Ich blicke aufgrund der stabilen Pendenzenlage und der eingeleiteten Neuverteilungen der Geschäfte sehr positiv in die Zukunft.Trotzdem bläst Ihnen ein scharfer Wind entgegen. Heute läuft die Frist zum Rückzug Ihrer Kandidatur ab. Was tun Sie?Ich ziehe meine Kandidatur nicht zurück. Ich kann nicht akzeptieren, dass die Politik mich deinstallieren will, wenn die Situation im Präsidium so gut ist wie schon lange nicht mehr und das strukturelle Problem der Ungleichbelastung in den drei Präsidien nun im Sommer angegangen worden ist. Mir geht es auch um die Unabhängigkeit der Justiz. Ich stelle mich dem Volk zur Verfügung. Es wird entscheiden müssen, wie schon 2013.
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