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Obwalden

Obwalden geht gezielt gegen übermässigen Motorenlärm vor

Unzumutbarer Motorenlärm auf Obwaldner Bergstrassen ärgert Anwohner und Gäste. Nun wollen Politiker und Polizei Massnahmen ergreifen.
Die Obwaldner Polizei ermahnt Töfffahrer mit solchen Tafeln zum leiseren Fahren. (Bild: Romano Cuonz (Sarnen, 15. April 2021))
Karl Vogler. (Bild: Romano Cuonz (Lungern, 14. April 2021))
Mit diesem Messgerät überprüft die Obwaldner Polizei die Lautstärke von Töffs. (Bild: PD)

Romano Cuonz

 

«Laut ist out – danke, dass Sie leise fahren!» heisst es auf grossen Plakaten, die seit kurzem an Obwaldner Passstrassen stehen. Darauf zu sehen: ein daher brausender Motorradfahrer, gestörte Erholungssuchende und flüchtende Wildtiere. «Diese Plakate platzieren wir nun schon zum zweiten Mal. Die ersten wurden nachts von Unbekannten schwarz vollgesprayt», sagt Obwaldens Polizeikommandant Stefan Küchler.

Das Thema des übermässigen Motorenlärms polarisiert, nicht nur in Obwalden. Alt Nationalrat Karl Vogler hat dazu seinerzeit auf Bundesebene gleich mehrere Vorstösse eingereicht. «Solcher Lärm ist mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden», argumentiert der CSP-Politiker. Er mache erwiesenermassen krank und generiere somit hohe Gesundheitskosten. Auch müssten Eigentümer an stark befahrenen Strassen einen beträchtlichen Minderwert ihrer Liegenschaften in Kauf nehmen. «Man geht davon aus, dass in der Schweiz über eine Million Menschen von übermässigem Strassenlärm betroffen sind», moniert Vogler. Die Öffentlichkeit habe in den letzten Jahren Milliarden ausgegeben, um sie mit baulichen Massnahmen davor zu schützen. Unverständlich ist für den langjährigen Politiker, dass ein kleiner Prozentsatz rücksichtsloser Verkehrsteilnehmer, die laute Motoren in Kauf nehmen, ein ganzes Tal mit Lärm erfüllen dürfen. «Für meine Vorstösse habe ich aus der Bevölkerung jeweils Hunderte Dankesmails erhalten.» Nur das Parlament habe das brennende Thema während seiner Zeit in Bundesbern nie so richtig aufgenommen.

Bundesrat soll Massnahmenpaket erarbeiten

Mittlerweile aber hat sich das Blatt gewendet. Die nationalrätliche Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie beauftragt den Bundesrat via Motion, ein Massnahmenpaket zu erarbeiten und dem Parlament Gesetzesänderungen vorzulegen. Damit sollen übermässige Lärmemissionen im Strassenverkehr einfacher und stärker sanktioniert werden. Karl Vogler ist zufrieden: «Ein Kommissionsvorschlag ist stets ein starkes Zeichen.» Eine Ratsmehrheit sei ihm gefolgt und auch der Bundesrat habe die Annahme der Motion beantragt.

Gefordert würden Massnahmen auf Gesetzes- und Verordnungsstufe. Mit diesen liesse sich die Verwendung von illegalen Bauteilen oder Veränderungen an Fahrzeugen sanktionieren oder mindestens einschränken. Wörtlich heisst es in der Motion: «Neben höheren Bussen sollen auch der Führerausweisentzug oder die Beschlagnahme betroffener Fahrzeuge sowie ein generelles Fahrverbot für besonders laute Fahrzeuge auf gewissen Strecken geprüft werden.» Auch Fragen rund um die Entwicklung und den rechtlich abgestützten Einsatz von sogenannten «Lärmblitzern» will die Kommission geklärt haben. «Leider braucht es solch drastische Massnahmen, um Unverbesserliche zur Räson zu bringen», sagt Vogler. Der Bundesrat werde handeln, sobald auch der Ständerat der Motion zustimme. Vor einem allfälligen Referendum der Töfflobby fürchtet sich Vogler nicht. «Im Volk werden diese bestimmt keine Mehrheit erreichen.»

Obwalden will einheimische Bevölkerung schützen

Besonders geplagt sind Anwohner an den Passstrassen. Zum Ausdruck bringt dies etwa Landwirt Josef Burch: «Unser Heimet liegt an der Glaubenberstrasse, und die wird an Wochenenden zu einer wahren Autobahn für Töffs oder andere laute Fahrzeuge», beklagt er sich. Immer frecher und schneller würden sie fahren und damit Kinder, Erwachsene und auch das Vieh beim Überqueren der Strasse ernsthaft gefährden. Auch der an der Strasse wohnhafte Techniker Pius Fanger ist überzeugt: «Die Zahl der überlauten Fahrzeuge hat in den letzten Jahren frappant zugenommen. Was da an schönen Tagen abgeht, ist reinste Provokation.» Man stelle auch fest, dass einige Motorradfahrer die Bergstrassen im Rennmodus binnen kurzem mehrmals bergauf und bergab fahren.

Zwei Obwaldner Mitte-Kantonsräte haben die Reklamationen und Hilferufe vernommen: Dominik Imfeld und Gregor Jaggi. «Mit einer Interpellation wollen wir erreichen, dass Obwalden die Massnahmen, die der Bund vorgibt, wirksam umsetzt», sagt Jaggi. Doch wenn die Rede von übermässigem Lärm auf Pass- und immer mehr auch Nebenstrassen ist, rennt man bei Obwaldens Polizeidirektor Christoph Amstad offene Türen ein. Auch er stellt fest: «Während der Pandemie ist Obwalden in dieser Hinsicht ein wenig zum Freizeitpark der halben Schweiz geworden.» Solange im normalen Rahmen gefahren werde, sei dagegen nichts einzuwenden, sagt er. Jedoch: «Die Freiheit jedes Einzelnen endet dort, wo er damit andere schädigt.» Oft seien es Auswärtige, die mit ihrem Freizeitverhalten Regeln brechen würden. «Davor müssen wir unsere einheimische Bevölkerung schützen», fordert der Polizeidirektor.

Polizei setzt ab sofort ein Schallmessgerät ein

Für die Umsetzung des politischen Willens ist die Obwaldner Kantonspolizei gefordert. Kommandant Stefan Küchler kennt das Problem. Er sagt: «Unsere Patrouillen stellten bei Kontrollen fest, dass auf der Brünigstrasse, am Glaubenberg und in Glaubenbielen vor allem im Sommer vermehrt laute oder zu schnelle Fahrzeuge unterwegs sind.» Für die Polizei gebe es ein Vorgehen in drei Stufen. Zuerst würden präventive Massnahmen ergriffen: Dazu gehören die Plakate am Strassenrand. Wo möglich, versuche man, Verkehrsteilnehmer auf der Vernunftebene anzusprechen. Eine wirksame Massnahme bestehe immer auch darin, dass die Polizei unterwegs sichtbar präsent sei. «Schliesslich machen wir vermehrt Kontrollen», so Küchler. Wenn die Polizei ein klares Fehlverhalten feststelle oder einen entsprechenden Verdacht hege, würden strafrechtliche Schritte unternommen.

Vor kurzem hat die Obwaldner Kantonspolizei ein Schallmessgerät angeschafft. Sobald die Passstrassen wieder geöffnet sind, soll es zum Einsatz kommen. «Wir setzen es an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten ein und lösen so bei Verkehrssündern Unsicherheit aus», erklärt Küchler. Hegen Polizisten vor Ort den subjektiven Verdacht, dass ein Fahrzeug zu laut ist, halten sie den Lenker an. Ausweis und Typengenehmigung werden geprüft. «Anschliessend messen wir auf einem Platz die Lautstärke in einer bestimmten Tourenzahl und stellen fest, ob etwas abgeändert sein könnte.» Wenn dies der Fall sei, werde im Strassenverkehrsamt eine genaue Untersuchung vorgenommen. Je nach Resultat seien dann verschiedene Sanktionen möglich: Das gehe von hohen Bussen und dem Fahrausweisentzug bis hin zur Beschlagnahmung des Fahrzeugs.

Temporäres Fahrverbot kaum denkbar

Österreich hat auf bekannten Töffstrecken ein Sommerfahrverbot für laute Maschinen mit über 95 Dezibel Lärm bei der Typenscheingenehmigung eingeführt. Dies wäre nach Ansicht von Polizeikommandant Stefan Küchler für Obwalden aber ein kaum gangbarer Weg. «Da müssten selbst Leute, die im Gebiet wohnen, ihre Motorräder in der Garage lassen.» Viel effizienter fände er eine Regelung des Fahrzeug- und Zubehörmarktes. «Heute dürfen ordentlich zugelassene Fahrzeuge völlig legal weit über 95 Dezibel Lärm produzieren», sagt Küchler. Da müsse etwas passieren. Sorgen bereitet der Polizei auch die Verlagerung des überlauten Verkehrs auf Orts- und Nebenstrassen. «Wo es keine Einschränkungen gibt, etwa bis auf den Zubringer- oder Forstverkehr, herrscht hierzulande Strassenfreiheit», stellt Küchler fest. An solchen Orten könne man den Lärm lediglich mit Geschwindigkeitsbegrenzungen etwas eindämmen.

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