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Zug

50 Bühnenfiguren in 70 Minuten

Mit dem international bekannten Verwandlungskünstler Ennio Marchetto erlebt das Baarer Publikum ein turbulentes Schaulaufen von Papp-Prominenz aller Couleur. Kunterbunt und zum Schreien komisch.
Ennio Marchetto als Marilyn Monroe. (Bild: Maria Schmid (Baar, 20. September 2018)

Andreas Faessler

Aus Eminem wird Gloria Gaynor, Judy Garland wird zu E.T., ein T-Rex verwandelt sich in Lady Gaga, die halbnackte Kylie Minogue steht plötzlich als Soeur Sourire da, und die deutsche Bundeskanzlerin mutiert innert zwei Sekunden zur vollbusigen Dolly Parton, die auf einem schielenden Pferd sitzt. Niemand bringt in so kurzer Zeit so viele Charakteren aufs Parkett wie Ennio Marchetto. Der Venezianische Verwandlungskünstler bedient sich raffinierter Konstruktionen aus Pappe und Papier, die sich mit zwei drei Handgriffen in ein gänzlich neues Kostüm und ihn somit in eine völlig andere Bühnenfigur verwandeln. Der 58-jährige, mehrfach mit namhaften Preisen ausgezeichnete und spätestens seit den 1990er-Jahren weltweit bekannte Italiener spielte am Donnerstagabend im Gemeindesaal Baar vor einem für sein Format freilich kleinen Publikum.

Von Monroe bis Merkel

Wer die Karriere Marchettos verfolgt hat, erkannte an diesem Abend einige Kostüme, die zu seinen langjährigen Klassikern gehören. Etwa Ennio als Marilyn Monroe oder Mona Lisa – mitsamt Bilderrahmen –, als kleinwüchsige Edith Piaf und natürlich als Queen, aus der schliesslich ihr Landsmann, die Röckröhre Freddie Mercury, hervorgeht. Der Italiener, der bereits im Kindesalter als kleiner Papp-Verwandlungskünstler aufgefallen ist, erweitert sein Figurenrepertoire laufend, kombiniert es neu mit bisherigen Kostümen aus seinem scheinbar unerschöpflichen Fundus. Marchettos Show gründet neben den Pappkostümen einzig auf Musik und Mimik. Der Italiener versieht seinen turbulente Verwandlungsmarathon mit feinen, zuweilen urkomischen Humoreinlagen. Sie sind wie kleine, liebevolle Seitenhiebe an die jeweils imitierte Figur.

So tritt er als Maria Callas auf die Bühne – mit einer enorm überdimensionierten Nase. Und Montserrat Caballes Gesicht verschwindet hinter ihrer eigenen Oberweite, Papst Franziskus nimmt ein Bad in flatternden Friedenstauben, die krummbeinige Ella Fitzgerald reitet auf den Schultern Louis Armstrongs, Whitney Houston hat einen Sprung in der Platte und die dralle Adele einen Knopf in der Leitung. Kein Film- und Musikstar oder sonstige Prominenz aus Geschichte und Gegenwart ist sicher vor Marchetto. Seine gut 50 Parodien aus Pappmaché an diesem Abend reichen von Film und Musik über die Cartoonwelt sowie die Schlager- und Chansonszene bis in die Aristokratie und Politik – auch Fidel und, wie erwähnt, Angela kriegen ihr Fett weg.

Pappschichten fallen perfekt

Jede Bewegung, jede Grimasse sitzt. Und doch hockt dem Zuschauer stets die latente Angst im Nacken, es würde sich bei Marchetteo demnächst ein Stück Pappe verheddern. Doch der Italiener hat seine rund 70 Minuten dauernde Papp-Choreographie bis ins letzte Detail rigoros durchgeplant, jeden Handgriff hat er einstudiert, jede Pappschicht fällt perfekt.

Das Publikum – es lacht, klatscht, lacht, klatscht. Die Spannung, wen der Quick-Change-Künstler als Nächstes imitiert, bleibt bis zur letzten Sekunde, wo er als Zugabe den Sumoringer gibt, der schliesslich flugs in eine burleske Pariser Dame übergeht. Im Rüschenrock mit hoch erhobenen Beinen setzt sie zum Cancan den Schlussakkord.

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