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Zug

Einblicke in eine uralte Tradition: Auf dem Ägerisee entsteht ein mächtiges Floss

Am Reisttag konnte die Bevölkerung das Reisten und den Flossbau hautnah mitverfolgen. Der Anlass stiess auf grosses Interesse.

Die Nebelschwaden über dem Ägerisee lösten sich bald auf, und so lockte das sonnige Herbstwetter am Samstag viel Volk nach Morgarten, um das hölzerne Spektakel erstmals oder wieder zu erleben. Bei der Morgartenhütte gab es Flösserwurst und -kaffee, drinnen wurde der Flösserfilm von 2016 gezeigt. Hier konnten Interessierte mit Zertifikat das Extraschiff und Ungeimpfte den Shuttlebus zur Naas nehmen oder laufen.

Die Nachfrage zeigte: Corona war an diesem Tag kein Problem. Einen kurzen Fussmarsch gab es für alle, weil es vom Bushalt und von der Anlegestelle des Schiffes her nur einen schmalen Waldweg zum Floss gibt. Gespannt wartete Heinz Schuler aus Morgarten mit der Familie auf den Beginn der Vorführungen: «Wir waren schon letztes Wochenende hier, um das Floss zu sehen, so etwas gibt es ja heute kaum noch.»

Waldarbeit braucht spezielle Kenntnisse

Noch an der Station informierte Roman Merz, Leiter der Forstarbeiten der Korporation Unterägeri, über den Holzschlag: «Wir fördern hier im Bergwald bewusst die einheimischen Nadelhölzer, um die Tradition des Flössens zu erhalten.» So hätten die beiden Korporationen des Ägeritals zusammen mit dem kantonalen Amt für Wald und Wild das Konzept «Flösserwald im Kanton Zug» erarbeitet. Merz wies auf die mit einem roten Band gekennzeichneten Bäume am Hang, diese würden noch gefällt. Etwas weiter lagerten in einer steilen Rinne bereits gefällte und gut gesicherte Stämme, für den Weg ins Wasser. Welche Kräfte das Holzen auszulösen vermag, zeigte der grosse Baum, der längs komplett gespalten war, weil ein Stamm von oben her in ihn hinein gerast war.

Dann konnte am Hang das Fällen einer laut Merz rund 130-jährigen und rund fünf Tonnen schweren Weisstanne beobachtet werden. Eine erste Fallkerbe sah man bereits. Mit einem Visier geschützt, besorgte ein Mitarbeiter mit der Motorsäge den Schnitt, wobei der Stamm an der steilen Lage bergwärts umfiel, weil er mit einem Drahtseil gesichert war, um die Besucher nicht zu gefährden. Merz: «Sonst dürften wir das nicht so zeigen.» Es krachte, «Wau» riefen einige, dann gab es Applaus. So mancher staunte über die enormen Kräfte und Gefahren, die mit solchen Waldarbeiten verbunden sind, die spezielle Kenntnisse erfordern.

Floss landet in Oberägeri

Ein paar Schritte weiter umspülten die Wellen die grossen Nadelholzstämme, welche die Form des Flosses mit seinem Rahmen andeuteten. «Die ungefähre Länge hat es bereits», erklärte Flossbauer Karl Henggeler. Zuletzt werde es 110 Meter lang und rund 400 Tonnen schwer sein, den Holzwert schätze er auf rund 65 000 Franken. Das restliche gefällte Holz wird vor Ort abtransportiert. Weil laut Henggeler der Wasserstand der Lorze derzeit eher tief ist, könne das Floss am 30. Oktober nicht nach Unterägeri geflösst werden, sondern nur zum Seeplatz in Oberägeri. Seine langjährige Erfahrung und Begeisterung für das Flössen war offensichtlich. «Wegen des Flössens sind wir keine Ewiggestrigen. Dahinter steht die Geschichte einer alten Tradition, die mit dem Wald, den Wegrechten und den Korporationen zusammenhängt.» Für das Publikum hatte er an einer Holzwand ein Modellfloss und die Werkzeuge angebracht. Zudem erklärte er lachend, warum er beim Flössen, das oft bei Minustemperaturen stattfinde, immer einen Rucksack mit trockenen Kleidern bereithalte: «Die Sicherheit geht vor.»

Wie wichtig das ist, bekamen die Zuschauerinnen und Zuschauer hautnah zu spüren, als bei der nächsten Vorführung ein Stamm mit lautem Krachen die Rinne heruntergelassen wurde. Auf dem Weg ins Wasser rammte er kurz den Hangboden, was einen Hagel an Laub und Steinen zur Folge hatte, der allgemeines Erschrecken auslöste. Darum hatte Roman Merz das trockene Herbstwetter als nicht so ideal für das Reisten bezeichnet: «Die Stämme rutschen weniger gut in die Tiefe.»

Verschiedene Interessen im Wald

Auf dem Weg zum Schiff sagte Hedy Iten: «Ich habe immer ein bisschen Angst. Trotzdem gehe ich an den Reisttag, mein Sohn ist bei der Korporation, und ich weiss, wie gefährlich die Arbeit ist. Bis jetzt hatte er einen Schutzengel.» Trotz der heiklen Situation war der Menzinger Martin Hirt begeistert, dass die alte Tradition gepflegt wird: «Die Erklärungen waren super, und es ist wunderbar, wie sie das Floss fertigstellen.»

Flossbauer Karl Henggeler erinnerte daran, dass der Wanderweg im Bergwald während der Holzerei unter der Woche geschlossen ist. An den Wochenenden hätten dennoch einige Waldanlässe stattgefunden. «Früher war der Weg nur zum Holzen da, heute gibt es diverse Interessen, und alles muss aneinander vorbeigehen.» Er gab zu bedenken, dass die Waldbewirtschaftung einem öffentlichen Interesse diene. «Leider halten sich nicht alle an die Absperrungen.»

Die beiden Waldbesitzer, die Korporationen Oberägeri und Unterägeri, hatten für den Reisttag neben den Attraktionen im Wald auch ein Flösserfest organisiert. «Das letzte Mal fand nur der Reisttag statt, denn das Wetter war nicht gut. Heuer haben wir dazu ein Rahmenprogramm, und ich bin sehr zufrieden mit dem Interesse der Bevölkerung», sagte Reto Iten, Korporationspräsident von Unterägeri.

Am Samstag, 30. Oktober, findet ab 9 Uhr die Flossüberfahrt vom Bergwald bis zum Seeplatz Oberägeri statt.

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