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Zug

Finanzausgleich: Die Geberkantone bezahlen seit zehn Jahren massiv zu viel

Der Kanton Zug hat seit 2008 gut 280 Millionen Franken zu viel in den NFA bezahlt. Wie auch die anderen Geberkantone. Grund: Die zu hohe Mindestausstattung im Ressourcenausgleich.
Die NFA-Geberkantone haben zehn Jahre massiv zu viel bezahlt. (Bild: Keystone/Gaetan Bally (Zürich, 25. Mai 2018))

Harry Ziegler

Die Zahl ist eindrücklich. Seit der ­Einführung des NFA 2008 haben die Geberkantone rund 1,5 Milliarden Franken zu viel in den NFA bezahlt. Die vier Zentralschweizer Geberkantone Zug, Schwyz, Nid- und Obwalden zahlten in den vergangenen zehn Jahren rund 470 Millionen Franken zu viel in das eidgenössische Solidaritätswerk ein. Für den Kanton Zug alleine macht das etwas über 280 Millionen Franken aus (siehe Tabelle). Der Zuger Finanzdirektor hat die Zahlen in seinem Departement ­zusammentragen und auch durch das Finanzdepartement des Kantons Zürich überprüfen lassen. «Diese Zahlen sind brutal», sagt Heinz Tännler.

Berechnet wurde die sogenannte Überdotation des Ressourcenausgleichs (ohne Lasten- und Härteausgleich) bei einer Mindestausstattung von 85 Prozent. Das bedeutet, dass die minimale Pro-Kopf-Ausstattung mit Eigenmitteln 85 Prozent des schweizerischen Durchschnitts betragen sollte. Der ressourcenschwächste Kanton Jura hat dieses Ziel deutlich übertroffen. 2018 erreicht Jura einen Index von 88,3 Prozent. Die Dotierung des Ressourcenausgleichs ist daher gegenwärtig zu hoch.

«Diese Zahlen sind brutal.» Heinz Tännler, Zuger Finanzdirektor

Zusammen haben die Geberkantone (auch jene, die aktuell nicht mehr dabei sind: Waadt, Tessin, Schaffhausen und Baselland) in den letzten zehn Jahren Zahlungen in der Höhe von rund 16,4 Milliarden Franken geleistet. «Dazu hat der Kanton Zug rund drei Milliarden Franken und pro Person etwa 24000 Franken geleistet», erklärt Tännler. Bei einer Mindestausstattung von 85 Prozent, was dem durch den Bund festgelegten Wert entspricht, hätten die Geberkantone 14,9 Milliarden Franken abgeben müssen. Eine Überdotation von 1,5 Milliarden Franken.

Finanzausgleich ist ein System ohne Anreize

Für den Zuger Finanzdirektor zeigen diese Zahlen, dass der NFA einerseits zwar funktioniert, andererseits zeigten sie auch die dauernden fruchtlosen Diskussionen darüber, dass das System NFA – und hier zitiert Tännler Christoph Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie an der Universität Luzern – «ein System ohne Anreize ist».

Für Tännler und seine Amtskollegen aus den Geberkantonen ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. «Das System braucht zwingend Anpassungen», sagt er. Ohne solche werde der in der Schweiz hochgehaltene Solidaritätsgedanke einseitig zu Lasten der Geberkantone überstrapaziert. Zudem kann das auf die Geber auch handfeste finanzielle Auswirkungen haben. Für das kommende Jahr beispielsweise wird der Kanton Zug 329,5 Millionen Franken in den NFA abliefern müssen. 16,7 Millionen Franken mehr als dieses Jahr.

Erst kürzlich haben die Forscher des unabhängigen Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Basel Zahlen veröffentlicht, wie die NFA-Zahlungen der Geberkantone in den nächsten Jahren ansteigen würden, falls das NFA-Regelwerk unangetastet bleibt. Alleine für den Kanton Zug würden 2024 etwa 428 Millionen Franken fällig. Tännler ist im Grundsatz überzeugt, dass der NFA als eidgenössisches Solidaritätswerk notwendig sei. «Hingegen ist es aus gleichem Grunde inakzeptabel, systemische Fehler wider besseres Wissen nicht ­beheben zu wollen», so Tännler.

Bereit zu teilweisen Korrekturen des Systems

Um dessen Effektivität auch in Zukunft zu erhalten und die Solidarität nicht über Gebühr zu strapazieren, haben die Kantonsregierungen dem Bundesrat ­einen Kompromissvorschlag präsentiert. Kern des Kompromisses ist, dass die Ausgleichszahlungen künftig nicht mehr vom Parlament festgelegt werden, sondern durch einen gesetzlichen Automatismus, nach mathematischen Regeln berechnet würden. Der Kompromiss der Kantonsregierungen sei nicht die Lösung aller Probleme, räumt der Zuger Finanzdirektor ein, vor allem für die Geberkantone. Gewisse Systemfehler blieben bestehen.

Aber immerhin hätten sich 22 der 26 Kantonsregierungen gefunden, was laut Tännler zeigt, dass die Nehmerkantone endlich mindestens teilweise bereit sind, Korrekturen vorzunehmen. Dazu würden beispielsweise Anpassungen an der Mindestausstattung gehören. Im kürzlich publizierten NFA-Wirksamkeitsbericht hält der Bundesrat fest, dass der NFA seine Ziele weitgehend erreicht habe, das Ziel der Minimalausstattung ressourcenschwacher Kantone jedoch mehr als erfüllt werde. Er schliesst sich den Vorschlägen der Konferenz der Kantonsregierungen weitgehend an und befürwortet eine garantierte Mindestausstattung von 86,5 Prozent. Zudem unterstützt der Bund den Vorschlag, die Dotation des NFA auf Basis einer fixen Zielgrösse festzulegen. Faktisch würde die Mindestausstattung damit sinken.

Scheitern des Kompromisses wäre ein Affront

Aus dem Bundesparlament allerdings gibt es Signale, die befürchten lassen, dass nicht alle Parlamentarier die Position ihrer Regierung stützen. «Voraussichtlich wird der Kompromissvorschlag der Kantone in der Frühjahrssession zum Thema im Parlament», erklärt Heinz Tännler. Sollte der Kompromiss scheitern, wäre das laut Tännler «gar nicht gut, ja ein Affront». Dann wäre der ganze Schwung, den der Vorschlag der Kantonsregierungen in die Sache NFA gebracht hat, verloren. Vor allem mit Blick darauf, dass das Parlament während Jahren nicht in der Lage war, die verfahrene Situation zu lösen. Ein Scheitern bedeutet für Tännler, dass die Schweizer Politik nicht mehr in der Lage ist, einen tragfähigen Ausgleich der ­Interessen, einen Kompromiss also, zu erarbeiten. «Das wäre als eigentliches Armutszeugnis zu qualifizieren.»

Und was würde ein Nein für die Geberkantone, besonders Zug, bedeuten? «Für uns bedeutet eine Ablehnung: weiter wie bisher – und das kann es nicht sein. Es gibt nämlich kein Szenario, keinen Plan B, um einem Ausbluten des Kantons zu begegnen.» Steuererhöhungen im Kanton Zug können laut Tännler «nicht die Lösung sein, um krasse systemische Fehler im NFA auszubügeln. Zumal Steuererhöhungen im Kanton Zug ohnehin kaum mehrheitsfähig wären.»

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