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Zug

Lern-App oder Werbung? Heikles Sponsoring an der PH Zug

Für eine neue App spannte die PH Zug mit Samsung zusammen. Das stösst auf Kritik. Der Fall zeigt: Eine breite öffentliche Diskussion rund um das Thema «Sponsoring an öffentlichen Schulen» wäre überfällig.
Die App der PH Zug und Samsung sollen Schüler dort abholen, wo sie stehen: am Smartphone. (Bild: Symbolbild: Christopf Schürpf/Keystone)

Carlo Schuler

«Lern-App wird ausgezeichnet», verkündete vor den Sommerferien die Pädagogische Hochschule Zug auf ihrer Webseite voll Stolz. Die vom EdLab (Education Lab) der PH Zug zusammen mit einer Kreativagentur und Samsung Schweiz entwickelte App «A touch of history» sei in der Kategorie «Digital Crafts» für den Cannes Lions 2018 nominiert worden. Zwar habe es nicht ganz bis an die Spitze gereicht. Aber die Platzierung als Finalist sei eine grosse Ehre. Im Frühjahr hiess es in einer Medienmitteilung, dass die PH Zug und Samsung mit dieser App einen «spielerischen und interaktiven Zugang zu Lerninhalten» ermöglichen würden.

Die PH Zug und Samsung quasi Hand in Hand? Moment mal: Die PH Zug ist eine staatliche Schule, Samsung ein weltweit tätiger Grosskonzern. Auf der App selber erscheint der Name Samsung im Impressum. Im Begleitvideo wird’s dann aber schnell expliziter: «Samsung und PH Zug präsentieren ‹A touch of history›», heisst es da. Der Vizepräsident von Samsung Schweiz kommt zu Wort. Und am Schluss steht da wieder gross der Name: Samsung.

Längere Kooperation zwischen Hochschule und Konzern

Manfred Jurgovsky ist Leiter des EdLab der PH Zug. Er sagt, dass Samsung Schweiz sich schon seit langem für die Digitalisierung im Bildungsbereich engagiere: «Das gesellschaftliche Engagement richtet sich dabei auf die Realisierung innovativer Ideen.» Dabei unterstütze Samsung die PH Zug mit Infrastruktur, Wissen oder finanziellen Beiträgen. Samsung und die PH Zug würden sich bei dieser Zusammenarbeit an den Massstäben des Schweizerischen Lehrerverbandes (LCH) orientieren. Das EdLab der PH Zug kooperiere schon länger mit Samsung Schweiz. «Samsung hat dabei die Freiheit von Forschung und Lehre jederzeit respektiert, und wertvolle Impulse für die Digitalisierung der Bildung ermöglicht.»

«Wichtig ist, dass sich bei der Unterstützung von öffentlicher Bildung durch private Anbieter beide Seiten ihrer Rolle bewusst sind, beziehungsweise wissen, wo die Grenzen liegen.» Für diese Grenzen, die bei Public-Privat-Partnership-Projekten mit Hochschulen gesetzt sind, lasse sich ein eindeutiges Kriterium benennen: Die Freiheit von Bildung und Forschung.

Der PH sei auch wichtig, die Zusammenarbeit zwischen Samsung Schweiz und der PH Zug transparent zu kommunizieren, erklärt Manfred Jurgovsky weiter.

Innovative Projekte liessen sich oftmals nur im Rahmen von Partnerschaften umsetzen. Dies aus finanziellen Gründen oder aus Gründen des erforderlichen Know-hows. Im vorliegenden Fall unterstütze Samsung die PH Zug mit Fachwissen und einem Betrag von «maximal CHF 10 000.

Auf Anfrage spricht Samsung Schweiz von «gesellschaftlichem Engagement». Dieses richte sich auf die Realisierung innovativer Ideen. Zur Frage, ob da denn nicht auch ganz klar ein langfristiges ökonomisches Interesse dahinter stecke, will sich Samsung Schweiz nicht konkret äussern. Eine Medienbeauftragte lässt verlauten: «Die Zusammenarbeit mit der PH Zug ist Teil unserer globalen Corporate Citizenship Aktivitäten, welche positive Veränderungen in der Gesellschaft zum Ziel haben.» Und zur Frage, welchen Betrag Samsung der PH Zug überwiesen habe, heisst es bloss: «Die PH Zug wurde für ihre Aufwände finanziell entschädigt.»

Vorgaben der Sponsoring-Charta erfüllt

«Es gibt noch keine Sponsoring-Regeln für die öffentlichen Schulen im Kanton Zug», erklärt Lukas Fürrer, Generalsekretär der Direktion für Bildung und Kultur des Kantons Zug, auf Anfrage. Franziska Peterhans, Zentralsekretärin des Verbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) sagt, dass Samsung als Sponsor in der App selber «nur zweimal» vorkomme. Zudem verlinke die App nicht auf Samsung-Seiten oder -dienste. Die App erfülle die Vorgaben der Sponsoring-Charta. Gemeint ist damit die vom LCH initiierte Charta zum «Engagement von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Unternehmen und Privaten in der Bildung». Es handelt sich bei dieser «Charta» um eine Selbstverpflichtung der erwähnten Organisationen und Kreise in Sachen Sponsoring an öffentlichen Schulen.

«Gesponserte App im Schulunterricht nicht akzeptabel»

Brisant ist im ganzen Zusammenhang die Frage, ob die Gesellschaft ein solches Sponsoring an öffentlichen Schulen überhaupt zulassen will. Christine Filtner von der Gewerkschaft VPOD meint: «Ich finde eine gesponserte App, die für den Schulunterricht eingesetzt werden soll, nicht akzeptabel.» Der VPOD sei grundsätzlich der Auffassung, dass gesponserte Inhalte und Werbung von profitorientierten Firmen an der Schule nichts verloren hätten und dass Schulen, Lehrpersonen und Erziehungsdirektoren sich dagegen entschieden zur Wehr setzen sollten. «Auch dass eine PH in dieser Form Kooperationen mit privaten Firmen eingeht, ist meiner Meinung nach nicht akzeptabel.» Leider aber wachse der Zwang für Hochschulen, Drittmittel für ihre Forschung anzuwerben, immer weiter an und werde als Teil der Finanzierung angesehen. Insofern sei das Problem das Ergebnis politischer Entscheidungen.

Schule muss neutral sein

Markus Müller, Professor für öffentliches Recht an der Universität Bern, hat sich in der Vergangenheit schon verschiedentlich mit Fragen zum Hochschul-Sponsoring befasst. Er erinnert an den Grundsatz, dass der Staat und damit auch die öffentliche Schule neutral sein müssen. Diese Neutralität beziehe sich namentlich auch auf den wirtschaftlichen Wettbewerb. Es sei daher heikel, wenn eine öffentliche Schule einer einzelnen Firma eine derartige Werbeplattform biete. Und um eine Werbeplattform handle es sich in solchen Fällen jeweils durchaus, da müsse man sich nichts vormachen: «Selbstverständlich geht es den gewinnorientierten Unternehmen darum, ihr Produkt oder ihre Firma bekannt zu machen und mit den Zielgruppen in Berührung zu bringen.» Zudem handle es sich im vorliegenden Fall um einen besonders sensiblen Bereich: Kinder seien bekanntlich für Werbebotschaften speziell empfänglich.

Kritisch hinterfragt Rechtsprofessor Müller die in solchen Fällen jeweils gerne bemühte Transparenz. Er verweist auf das denkbare Beispiel, dass eine Grossbank oder ein global tätiges Rohstoffunternehmen irgendwo im Schulbereich als Sponsor auftritt. «Was nützt betroffenen Eltern in einem solchen Fall alle Transparenz, wenn sie zum Beispiel mit dem Geschäftsgebaren des betreffenden Unternehmens nicht einverstanden sind?»

Professor Müller stellt auch die grundsätzliche Frage, ob Projekte, die der Staat ohne Sponsoren offenbar nicht zu stemmen vermag, wirklich immer à tout prix zur Ausführung gelangen müssen: «Man sollte sich in solchen Fällen vermehrt die Frage stellen, ob das entsprechende Projekt wirklich wichtig genug oder gar unabdingbar ist, wenn die öffentliche Hand gleichzeitig die dafür erforderlichen finanziellen Mittel nicht selber aufbringen will.» Müller verweist in diesem Zusammenhang auf die Universität Luzern und die damaligen Diskussionen um Sponsoring bei der Einführung der neuen Wirtschaftsfakultät im Jahr 2016. Damals wurde Kritik laut, weil der Aufbau der neuen Fakultät von Privaten finanziert werden musste.

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