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Heute vor 59 Jahren

Premieren, eine Peinlichkeit und ein Fluch

1961 passiert im alten Berner Wankdorf-Stadion Historisches. Zum einzigen Mal fand ein Final des Meistercups in der Schweiz statt. Kritik gibt es an den Fans, dem Schiedsrichter und dem Platz.
Das Wankdorfstadion in Bern sorgte beim Verlierer des Meistercup-Finals von 1961, dem FC Barcelona, nicht für Begeisterung
Bild: KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/STR

Der Mai 1961 ging mit einem lauen Mittwochabend zu Ende, der den Finalisten Benfica Lissabon und FC Barcelona eine ideale Plattform bot, die die beiden Teams zu einem grandiosen Spektakel nutzten. "Ungeheure Spannung im iberischen Duell", titelte das Fachblatt "Sport" nach dem überraschenden 3:2-Sieg der Portugiesen. Die Nachrichtenagentur Sportinformation, die Vorgängerin von Keystone-SDA, sprach von "einer der besten Fussball-Demonstrationen, die je in der Schweiz gesehen wurden".

Der Ungar Sandor Kocsis brachte die Spanier früh in Führung, doch Captain José Aguas und Joaquim Santana, er dank gütiger Mithilfe von Barça-Goalie Ramallets, wendeten das Blatt noch vor der Pause. Nach dem 3:1 durch Mario Coluna, der seit der 8. Minute mit gebrochener Nase spielte, traf Barcelona in der letzten halben Stunde noch vier Mal die Torumrandung, mehr als der Anschlusstreffer durch den zweiten ungarischen Star Zoltan Czibor gelang den Katalanen aber nicht.

Der Stachel der Niederlage sass tief. Trainer Enrique Orizaola setzte nach der Partie zu einer wahren Tirade an. Als Erster bekam der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst - der vom WM-Final 1966 mit dem berühmten Wembley-Goal - den Frust zu spüren. "Dienst hat das Resultat völlig verfälscht, in dem er das zweite Tor Benficas anerkannte, das gar keines war, während er einen spanischen Treffer (...) zu Unrecht annullierte", wetterte der Spanier. Orizaola sparte auch nicht mit Kritik am Austragungsort. "Ich habe noch nie ein so schlechtes Stadion angetroffen wie das Wankdorf. Hier wird nur ein Tor von der Sonne getroffen.“

Auch bei Kocsis und Czibor wird das Wankdorf keinen Platz im Herzen gefunden haben. Sie waren sieben Jahre zuvor an gleicher Stätte bereits auf der falschen Seite des "Wunders von Bern" gestanden und hatten den WM-Final gegen Deutschland verloren - ebenfalls als Favorit mit 2:3. Der "Sport" rapportierte, dass Kocsis, der nach seiner Flucht aus Ungarn elf Spiele für die Young Fellows Zürich absolviert hatte, die Tränen nicht zurückhalten konnte. "Wie 1954, als Ungarn gegen Deutschland die Weltmeisterschaft verlor, waren wir die bessere Mannschaft - und verloren!" Barcelona hatte zwar in der 1. Runde den Erzrivalen Real Madrid, der die ersten fünf Ausgaben des Meistercups für sich entschieden hatte, ausgeschaltet. Es sollte aber noch 31 Jahre dauern bis zum ersten Titelgewinn.

Wieder ein Geist von Spiez

Wie 1954 die Deutschen holte sich der Aussenseiter Benfica den letzten Schliff in Spiez. Während Barcelona erst am Montag angereist war, bereiteten sich die Portugiesen eine ganze Woche im Berner Oberland vor. Wie krass sie der Aussenseiter waren, zeigt ein Satz aus der Vorschau: "Während die spanischen Stars von Barcelona kaum einer Vorstellung bedürfen, sind die meisten Spieler des portugiesischen Meisters in der Schweiz nicht oder nur wenig bekannt." Sie beeindruckten dann aber mit ihrer "Schnelligkeit und dem Flügeleinsatz" - und dies, obwohl der grandiose Eusebio erst auf die folgende Saison zum Team stiess.

Mit Eusebio doppelte Benfica ein Jahr später mit einem 5:3-Finalsieg gegen Real Madrid nach. Danach verliess Coach Bela Guttmann den Verein, nachdem ihm die geforderte Lohnerhöhung nicht gewährt worden war. Der Legende nach, die er später allerdings zurückwies, soll der Ungar Benfica daraufhin verflucht haben. Das Team aus der Hauptstadt sollte in 100 Jahren nie mehr europäische Champions werden, habe er ihm gewünscht. Tatsächlich verlor der portugiesische Rekordmeister seither nicht weniger als acht Europacup-Finals, darunter fünf im Meistercup. 1961 aber war Benfica wunschlos glücklich.

Nicht ganz so gut weg kam der Schweizer Fussball. Kritisiert wurden nicht nur der Schiedsrichter und das Stadion, sondern vor allem auch die dürftige Zuschauerzahl von 26'732 - in einem Stadion, in dem 55'000 Besucher Platz gehabt hätten. Der "Sport" kommentierte: "Es machte auf die Presseleute der grossen Länder, die alle bei ihnen zu Hause 60'000 bis über 100‘000 Schaulustige hätten garantieren können, einen eher peinlichen Eindruck."

Nie waren bei einem Meistercup- oder Champions-League-Final weniger Fans zugegen. Vielleicht ist es deshalb das einzige Endspiel der Königsklasse auf Schweizer Boden geblieben. Allerdings fand - mit Ausnahme des Pariser Vororts Saint-Denis mit dem Stade de France - auch nie ein Final in einer Stadt mit weniger Einwohnern als Bern statt. (sda)

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