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Bob-Pilot Vogt überraschte sich selber

Erwartet wurde ein Schweizer Debakel im Bob-Weltcup, doch Debütant Michael Vogt überraschte mit einem 5. WM-Rang als Höhepunkt alle. Der 21-jährige Schwyzer steht jedoch erst am Anfang.
Plötzlich im Rummel des Weltcups: Bob-Pilot Michael Vogt (re.) und sein Anschieber Sandro Michel in St. Moritz
Bild: KEYSTONE/URS FLUEELER

Es ist die Erinnerung an glorreiche Zeiten des Schweizer Bobsports. Nicht weniger als vier Olympiasieger (Jean Wicki, Sepp Benz, Ekkehard Fasser, Beat Hefti) stehen beim Saison-Abschluss des Verbands Swiss-Sliding letzte Woche in Hinwil auf der Bühne, dazu zwei weitere Olympia-Medaillengewinner (Marcel Rohner, Christian Reich). Aktuell ist man von solchen Triumphen ein Stück weit entfernt, aber nicht so weit, wie die meisten vor einem Jahr befürchteten. Der Debütant Michael Vogt schlug sich in seiner Premieren-Saison über Erwarten gut. "Ich bin definitiv überrascht, wie es lief", blickt der Polymechaniker zurück. "Es war ja alles mega kurzfristig, ich wusste nicht so genau, was auf mich zukommt."

Er wurde unverhofft ins kalte Wasser, weil mit Rico Peter und Clemens Bracher im Sommer gleich beide Schweizer Piloten der Olympischen Spiele in Pyeongchang das Handtuch warfen. Statt einer zweiten Saison im Europacup mussten Vogt und seine Crew gleich auf höchster Ebene ran. Und sie steigerten sich fast von Woche zu Woche. In den letzten acht Weltcuprennen des Winters resultierten fünf Top-12-Plätze - mit einem 4. Rang in St. Moritz als Höhepunkt - und zum Abschluss an der WM in Whistler ein fast schon sensationeller 5. Platz mit dem Vierer. Dazu kamen zwei Medaillen an der Nachwuchs-WM.

"Der 5. WM-Platz bedeutet mir am meisten", verrät Vogt. "Weil wir vier Läufe sauber ins Ziel brachten." In Kanada schloss sich für den Schwyzer auch ein Kreis. Um überhaupt im Weltcup startberechtigt zu sein, musste er noch vor Beginn der Saison in Nordamerika viele Fahrten auf verschiedenen Bahnen absolvieren. Dabei erlebten Nationaltrainer Wolfgang Stampfer, Vogt und seine Crew auch Kurioses. Zum Beispiel in Park City, als der Schlitten, den sie ausliehen, sich fast schon als Oldtimer-Gefährt entpuppte. Doch Vogt biss sich durch.

280 Fahrten in einem Winter

Dabei half, dass das Entdecken von neuen Strecken für ihn zu den besten Aspekten seines Sports gehört. "Es macht mega Spass, sich an neue Bahnen heranzutasten, an den richtigen Lenkpunkten zu tüfteln", sagt er mit strahlenden Augen. Nachdem er in der ersten Saison im Europacup von der Expertise des Nachwuchschefs, zweifachen Olympiasiegers und achtfachen Weltmeisters Christoph Langen profitieren konnte, ist Vogts wichtigste Bezugsperson nun der Tiroler Wolfgang Stampfer. Und das klappt hervorragend. "Langen ist direkter, Wolfi etwas lockerer. Bei ihm muss man eher heraushören, was er denkt. Für mich hat es super gepasst." So hängte er nach der WM gleich nochmal eine Trainingswoche auf der bekannt schwierigen Bahn in Lake Placid an. So kam Vogt in der vergangenen Saison auf total unglaubliche 280 Fahrten. Er holt sein Erfahrungs-Defizit also in rasantem Tempo auf.

Vogt ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Von hinten drängen gleich eine ganze Reihe junger Piloten, einige davon ehemalige Anschieber, nach. "Ich empfinde das eher als fördernd denn negativ", betont das neue Aushängeschild. "Angst habe ich keine, aber ich kann mich sicher nicht auf den Resultaten ausruhen."

Im nächsten Winter wird Vogt aber unter besseren Voraussetzungen antreten können. Zum einen kennt er nun das Umfeld im Weltcup bereits, zum andern absolviert er aktuell die Spitzensportler-RS in Magglingen. Nach fünf Wochen Grundausbildung im letzten Jahr kann er in diesem Sommer - neben ein paar Schulungen, zum Beispiel im Umgang mit Medien oder Sponsoren - voll trainieren. Aktuell ist er also Vollprofi. Die Sponsoren bleiben ein wichtiges Thema. 120'000 Franken hat er für die letzte Saison zusammen mit seinem Umfeld aufgetrieben. Mit den Erfolgen im Rücken könnte es nun etwas einfacher werden. "Im letzten Jahr haben sie quasi mehr erhalten als abgemacht", meint er lachend. "Einsätze im Weltcup waren schliesslich keine geplant."

In seinem angestammten Beruf als Polymechaniker arbeitet der Schwyzer aus Wangen am oberen Zürichsee im Moment nicht, könnte aber jederzeit an seine alte Stelle zurückkehren. Vogt träumt aber noch von einem anderen beruflichen Weg. "Bevor es mit der Bob-Karriere losging, wollte ich die Polizistenausbildung machen", verrät der ehemalige Turner und Leichtathlet. "Ich schaue nun mit dem Kanton, ob das vielleicht auch neben dem Spitzensport möglich ist." Eine Uniform trägt er im Moment ja schon. (sda)

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