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Rad BMX

Mit dem BMX aus der Depression

Als 14-Jährige will sie das Haus nicht mehr verlassen, jetzt kämpft sie in Tokio um olympische Meriten: Die Genferin Nikita Ducarroz gehört im BMX Freestyle zu den Favoritinnen.
Als Kind hatte sie Depressionen, jetzt greift sie in Tokio nach einer Olympia-Medaille: die Genferin Nikita Ducarroz
Bild: KEYSTONE/ENNIO LEANZA

Sticht am Wochenende mit Nikita Ducarroz ein weiterer Schweizer Frauentrumpf? Die Chancen stehen gut. Als WM-Zweite und Nummer 2 der Weltrangliste gehört die BMX-Freestylerin in Tokio zu den Top-Favoritinnen in der neuen Olympia-Disziplin, in der nicht nur ein schönes Mass Style, sondern auch gute Flugkünste und ganz viel Mut gefordert sind, und in der die Frauen erst seit kurzem ein erhöhtes Mass an Aufmerksamkeit bekommen.

Klar, die Rolle der Topfavoritin gebührt in dem nur neun Fahrerinnen umfassenden Teilnehmerfeld der Amerikanerin Hannah Roberts. Doch dahinter muss sich Ducarroz vor niemandem mehr verstecken, wenngleich auch die Konkurrenz in den letzten Monaten nicht untätig geblieben ist. "Mein oberstes Ziel ist eine Medaille", sagt Ducarroz selbst.

Leistungssprung im BMX-Eldorado

Die Schweizerin ist nicht die einzige mit diesem Ziel, aber vielleicht diejenige, die es am seriösesten verfolgt. Seit zwei Jahren ordnet die in den USA lebende Genferin dem olympischen Medaillentraum alles unter: "Das hat die höchste Priorität. Die Olympischen Spiele sind der grösste Wettkampf für uns weit und breit."

Als die Corona-Pandemie ausbrach, verliess sie ihr Zuhause nahe der amerikanischen Westküste ohne zu zögern und zog fast 3000 Meilen ostwärts nach North Carolina. Im Actionsport-Komplex des befreundeten venezolanischen Profis Daniel Dhers fand sie in den letzten anderthalb Jahren optimale Trainingsbedingungen vor.

Während das Wettkampf-Geschehen über eine längere Zeitspanne ruhte und es für viele nicht leicht war, richtig zu trainieren, nutzte Ducarroz die Zeit in Dhers' BMX-Eldorado resolut, wie der 2. Platz an der WM im Juni hinter Richards belegte. Sie habe schon vor zweieinhalb Jahren, als ihre Zusammenarbeit begann, zu den Top 10 der Welt gehört, sagt ihr niederländischer Trainer Daniel Wedemeijer. "Aber seither hat sie sich auf ein neues Level gehievt."

Selbstverständlich ist die ehrgeizige Herangehensweise nicht in einer Sportart, in der für viele Style und Lifestyle an erster Stelle stehen. Noch weniger selbstverständlich ist es in Ducarroz' Fall. Als junger Teenager bestimmten nämlich noch ganz andere, viel weniger leistungsorientierte Gedanken ihr Tun.

Gefangen in den eigenen vier Wänden

Ducarroz litt unter Depressionen, deren Ausläufer sie nach wie vor spürt, mit denen sie aber umzugehen gelernt hat. Heute spricht die in Nizza geborene und in den USA aufgewachsene Tochter eines Genfers und einer Amerikanerin offen über die Probleme und unterhält mit einem Freund den Podcast "m1ndtricks" zum Thema. Im Alter von 14 Jahren habe sie es aufgrund einer Angststörung kaum mehr aus dem Haus geschafft, schildert sie. "Ich weiss nicht mehr, wie es angefangen hat. Aber es begann wohl, als ich fünf oder sechs Jahre alt war. Es kam schleichend und wurde immer schlimmer."

Am Computer entdeckte sie schliesslich BMX. Offen dafür war sie auch deshalb, weil sie den Sport direkt vor dem Haus ausüben konnte und nirgends hinfahren musste. Auch die langjährige Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen half ihr, dass sie das Reisen inzwischen wieder geniessen kann. "BMX hat mir das Leben gerettet", sagt Ducarroz heute. (sda)

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