notifications
Schweiz [News Service]

Patientenverfügungen wegen Corona: Pro Senectute stellt grosse Nachfrage fest

Die Pro Senectute stelle eine grosse Nachfrage bei Patientenverfügungen fest, sagt Präsidentin Eveline Widmer-Schlumpf. Mit einer solchen Verfügung können Heimbewohner die Intensivbehandlung verweigern.
Alt Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf setzt sich als Präsidentin von Pro Senectute für die Alten ein. (Symbolbild)  (Keystone)

(wap) Im Zuge der zweiten Welle meldet die Pro Senectute eine grosse Nachfrage bei vorgefertigten Patientenverfügungen. Diese legten fest, was Patienten «im Falle einer fatalen Infektion wollen und was nicht», erklärt Pro Senectute-Präsidentin Eveline Widmer-Schlumpf in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». Im Klartext heisst das: Viele ältere Menschen möchten lieber in ihrem Heim sterben, als als Coronapatienten auf der Intensivstation behandelt zu werden.

Auch möchten viele Betagte trotz Risiken nicht auf den Kontakt mit ihren Angehörigen verzichten: «Sie wollen lieber mit einem Angehörigen zusammen sein und gewisse Risiken eingehen, als in Isolation geschützt zu sein», sagt Widmer-Schlumpf. Die Politik müsse dem bei der Bekämpfung der zweiten Welle Rechnung tragen. Es dürfe nicht mehr vorkommen, dass Menschen flächendeckend und für längere Zeit eingesperrt würden: «Einsamkeit ist eine Qual.» Ausser in absoluten Ausnahmefällen dürfe es keine pauschalen Besuchsverbote in Heimen mehr geben.

Kritik an BAG und Bundesrat

Widmer-Schlumpf kritisiert in dem Interview ausserdem das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das nach wie vor alle über 65-Jährigen als Risikogruppe einstuft. Dies habe Folgen, etwa für die Freiwilligenarbeit, so Widmer-Schlumpf: «Pro-Senectute-Organisationen mussten im März grosse Anstrengungen unternehmen, weil sie die Freiwilligen im Alter über 65 Jahren nicht mehr einsetzen durften.» Besonders gefährdet sind nach Ansicht von Widmer-Schlumpf nicht generell alle Alten, sondern «ältere Personen mit einer Vorerkrankung und hochaltrige Personen ab 80 Jahren.»

Kritik äussert die Alt Bundesrätin, die von 2008 bis 2015 in der Landesregierung war, auch am Vorgehen des Bundesrates: «Der Bundesrat hätte wohl schneller eingreifen und Massnahmen verordnen sollen. Möglicherweise hätte dann ein Teil dessen abgefangen werden können, was jetzt passiert.»