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Pro & Contra

Länger arbeiten, um die AHV zu sichern? Manuela Weichelt und Josef Dittli sind geteilter Meinung bei der Abstimmung über die Renteninitiative

Am 3. März stimmt die Schweiz über zwei AHV-Vorlagen ab. Nebst der 13. AHV-Rente der Gewerkschaften steht die Initiative der Jungfreisinnigen über eine schrittweise Rentenaltererhöhung zur Sicherung der AHV-Finanzen an. FDP-Ständerat Josef Dittli befürwortet die Vorlage, Grüne Nationalrätin Manuela Weichelt lehnt sie ab.
Bild: Bilder: zvg/Maria Schmid/Keystone

PRO: Josef Dittli, FDP-Ständerat

Josef Dittli, FDP-Ständerat UR.
Bild: Bild: zvg

Am 3. März 2024 entscheidet das Stimmvolk über eine Frage, die Bundesrat und Parlament seit Jahren beschäftigt: Wie können wir die drohende Schieflage der AHV verhindern und unsere Renten langfristig sichern? Als Lösung schlägt die Renteninitiative vor, das Rentenalter für Männer und Frauen auf 66 Jahre zu erhöhen und danach an die Lebenserwartung zu koppeln.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Wir haben als Gesellschaft das Glück, immer älter zu werden. Bezog man bei der Einführung der AHV 1948 durchschnittlich 13 Jahre lang eine Rente, so sind es heute 23 Jahre. Immer weniger Erwerbstätige müssen die Renten von immer mehr Pensionierten finanzieren. Mit der steigenden Lebenserwartung, der sinkenden Geburtenrate und der bevorstehenden Pensionierung der Babyboomer geht die ursprüngliche Rechnung nicht mehr auf. Entsprechend deutlich und alarmierend sind die Prognosen des Bundes für unser wichtigstes Sozialwerk: Der AHV droht in den nächsten 25 Jahren ein kumuliertes Defizit von über 100 Milliarden Franken. Dass gewisse Kreise diesen Befund immer noch leugnen und den dringenden Reformbedarf in Abrede stellen, nehme ich mit einer gewissen Sorge zur Kenntnis.

Für die Sanierung der AHV stehen uns im Wesentlichen vier Instrumente zur Verfügung: Rentenkürzungen, Erhöhung der Mehrwertsteuer, Erhöhung der Lohnabzüge oder Erhöhung des Rentenalters. Im Wissen darum, dass die Jungen am längsten von höheren Steuern und Abgaben betroffen sind, erscheint mir diese Option im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit als ungeeignet. Hinzu kommt, dass solche Massnahmen erfahrungsgemäss die Familien am empfindlichsten treffen. Auch Rentenkürzungen halte ich für falsch. Vor diesem Hintergrund habe ich die Renteninitiative im Parlament aus Überzeugung unterstützt. Sie ist in meinen Augen eine ehrliche Antwort auf eine der Herausforderungen der Demografie.

Wer tiefer in die Materie einsteigt, erkennt, dass noch weitere Gründe für die Renteninitiative sprechen: Der Fachkräftemangel entpuppt sich immer mehr als Arbeitskräftemangel. Ausreichend Personal ist das Schmieröl unserer Wirtschaft und damit Voraussetzung für den Erhalt unseres Wohlstandes. Eine Studie hat gezeigt, dass die Zuwanderung von Arbeitskräften um 23% reduziert werden könnte, wenn die Renteninitiative angenommen würde.

Ich stimme am 3. März aus Überzeugung Ja zur Renteninitiative. Ich bin nicht bereit, unsere erste Säule an die Wand zu fahren und den Jungen in diesem Land einen Scherbenhaufen zu hinterlassen. Gerne lade ich Sie, geschätzte Leserinnen und Leser, ein, es mir gleich zu tun. Für sichere Renten, aus Fairness gegenüber den kommenden Generationen und zum Erhalt unseres Wohlstands. Zum Wohle der Schweiz.

CONTRA: Manuela Weichelt, Nationalrätin Grüne

Nationalrätin Manuela Weichelt, Grüne.
Bild: Bild: Maria Schmid/Keystone

Die Jungfreisinnigen möchten das Rentenalter erhöhen: in einem ersten Schritt auf 66 Jahre und danach an die Lebenserwartung koppeln, d. h. 67, 68, 70 …, das genaue Datum erfährt die betroffene Person fünf Jahre vor Erreichen des Rentenalters.

Die Initiative enthält keinerlei Ausnahmen, obwohl wir wissen, dass es bei der Lebenserwartung grosse Unterschiede gibt. Menschen mit tieferen Einkommen haben eine geringere Lebenserwartung. Ein männlicher Topmanager hat eine 13 Jahre höhere Lebenserwartung als ein Arbeitsloser.

Die Initiative möchte, dass Arbeitnehmende in gefährlichen oder beschwerlichen Berufen immer länger arbeiten. Viele Bauarbeiter werden nicht einmal 65-jährig, und es gibt Berufsgruppen, welche bereits heute kaum bis zum Rentenalter arbeiten können. Auch für diese würde die Erhöhung des Rentenalters gelten. Wenn sie nicht mehr können, heisst dies nichts anderes als eine aufgezwungene frühzeitige Pensionierung und damit eine Rentenkürzung.

Eine Erhöhung des Rentenalters ist auch ungerecht, weil Menschen, die bereits mit 16 Jahren ins Berufsleben eingestiegen sind, gleichbehandelt werden wie Menschen nach einem Studium, obwohl letztere viel weniger lang gearbeitet haben.

Die Initiative ignoriert die Realitäten auf dem Arbeitsmarkt. Wer heute älter als 55 Jahre alt ist, wird als Erste oder Erster entlassen – und hat Mühe, eine neue Arbeit zu finden. Die Initiative erhöht die Arbeitslosigkeit.

Für die Finanzierung der AHV ist die Initiative sowieso nicht notwendig. Mit der letzten Reform ist die AHV solide finanziert und schreibt in den nächsten Jahren Milliardengewinne. Ihre Reserven sind heute bereits so hoch wie nie zuvor. Das solide und faire Umlageprinzip macht es möglich!

Die Initiative ist keine Lösung für das wahre Problem in der Altersvorsorge: Alles ist teurer – und die zu tiefen Renten reichen nicht! Die Initiative verschärft das Problem zusätzlich, denn sie lässt nur länger arbeiten ohne bessere Renten. Nötig ist die Erhöhung der tiefen Renten und keine Rentenaltererhöhung. Es braucht deshalb ein Nein zur Renteninitiative!