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Luzern

Diese Luzerner aus dem Ausland wollen die «fünfte Schweiz» im Nationalrat vertreten

14 Kandidaten aus aller Welt haben sich für die kommenden Nationalratswahlen aufstellen lassen. Nicht alle nehmen ihre Kandidatur gleich ernst.

Martina Odermatt

Sie leben in Indien, den USA, Grossbritannien oder Chile – und trotz der geografischen Distanz haben sie eines gemeinsam: Sie sind Schweizer und kandidieren für den Nationalrat (siehe Karte).

14 Kandidaten haben sich für CVP, SVP, GLP und SP auf eine Liste setzen lassen. Bis auf Herbert C. Frey der CVP stehen die Kandidaten und Kandidatinnen der anderen Parteien auf separaten International-Listen.

Ihre Chancen, ins Parlament einzuziehen sind schwindend klein – das geht auch aus den Antworten der Luzerner Kandidaten hervor. Trotzdem lassen sie sich aufstellen. Weshalb? Und was motiviert diese Menschen, die häufig weit weg von ihrem Heimatland leben, sich für die Schweizer Politik einzusetzen? Wir haben die 14 Politiker gefragt.

«Herzensheimat blieb dieselbe»

Eine Umfrage bei den Kandidierenden zeigt: Die «fünfte Schweiz» fühlt sich nicht repräsentiert. Dabei hätte Sie durchaus Gehör verdient, denn: Im vergangenen Jahr verzeichnete das Bundesamt für Statistik 760 000 Auslandschweizer. Das sind rund 10 Prozent der Gesamtbevölkerung. Trotz der Distanz fühlen sich viele noch stark mit der Heimat verbunden. So etwa Nicolas Szita: Der Professor für Technische Biochemie kandidiert für die SVP auf der internationalen Liste. Seit nun schon bald 20 Jahren lebt er im Ausland. «In all den Jahren wurde ich nicht etwa weniger Schweizer, wie man vielleicht erwarten würde, sondern ich fühlte mich eigentlich immer mehr als Schweizer. Auch wenn die Alltagsheimat wechselte, die Herzensheimat blieb dieselbe.» Er möchte die Probleme der Auslandschweizer ins Parlament bringen, so etwa die Bankbeziehungen, rückläufige konsularische Vertretungen, oder finanzielle Sicherheit (AHV/EL).

Dies ist auch ein Anliegen von Barbara Curran (GLP). Die Unternehmerin lebt in Seattle: «Als in Amerika lebende Schweizerin möchte ich mich gegen die zunehmende Diskriminierung gegenüber Auslandschweizern beispielsweise in Bezug auf Bankbeziehungen und Versicherungswesen einsetzen.» Dies ist auch «Antriebsfeder» für Hans Peter Bieri. Der Botschaftsattaché aus Indien sieht «Tendenzen bei Politikern, die den Auslandschweizern das Stimm- und Wahlrecht aberkennen möchten. Ich empfinde das als Herabstufung, Diffamierung und Klassifizierung als Schweizer 2. Klasse.»

Der in Deutschland lebende Simon Koch (SP) spricht noch einen weiteren Punkt an: «Auslandschweizer können wichtige Impulse setzen, wenn sie ihre Erfahrung aus dem Ausland einbringen.» So besitze die Schweiz etwa in den Fragen der Kinderbetreuung, Erziehungsgeld oder Elternurlaub- und Elternzeit durchaus keine Vorreiterrolle. Und Patrick Renau (GLP), Ingenieur in Katalonien, ergänzt: «Es ist ein Mehrwert, unsere Erfahrungen, Visionen und Vorschläge in die Politik einzubringen. Wir stellen eine interessante Brücke zwischen der Schweiz und dem Ausland dar.»

Kritik für die bisherige Politik in Bundesbern gibt es auch von Stephan Kyburz (GLP). Der Forscher lebt in London und empfindet die Politik als zu «lethargisch und weniger progressiv». Er sagt: «Wir könnten in der Schweiz wesentlich mutiger und zielstrebiger agieren.»

Wahlkampf -aber wie?

Nun gestaltet sich ein Wahlkampf, wie er aktuell von den meisten Parteien verfolgt wird, vom Ausland aus als schwierig. Nicolas Szita der SVP ist trotzdem wann immer möglich bei der SVP-on-Tour dabei, er schreibt Beiträge, gibt Interviews, hält Reden, etwa am Auslandschweizerkongress in Montreux.

Während hiesige Politiker sich aber vor allem auf das Zupflastern der Strassen mit Plakaten fokussieren, setzen Auslandschweizer auf das Internet. Der Grossteil der Kandidaten setzt auf die Sozialen Medien und versucht so, Familie und Bekannte zu mobilisieren - so auch der in Amsterdam lebende Pflegefachmann Florian Lüthi (GLP). «Ich führe einen bescheidenen Wahlkampf und benutze vor allem Social Media. Ich habe kein Wahlkampfbudget.»

Vom Pendeln und Umzügen

Wie gesagt - die Chancen, dass es ein Auslandschweizer ins Parlament schafft, sind äusserst klein. Der letzte war Tim Guldimann (SP). Er wurde 2015 für den Kanton Zürich in den Nationalrat gewählt, trat aber im März 2018 zurück. Er pendelte von Berlin nach Bern. Wie würden andere Kandidaten im Falle einer Wahl handeln?

In Deutschland wohnhaft ist auch Koch (SP). Auch er würde nach Bern pendeln. «Der Punkt Auslandschweizer war sicher Teil des Erfolgs und sollte deshalb nicht aufgegeben werden. Zudem wohne ich in Frankfurt, von wo aus ich Bern und Luzern stündlich in kurzer Zeit erreichen kann.»

Daniela Blättler (SP) wohnt aktuell in Chile. Pendeln ist da schwierig. «Die Überlegung, nach Europa zu ziehen, beschäftigt mich schon längere Zeit. Ich könnte mir also durchaus vorstellen, im Falle einer Wahl zumindest in Zugdistanz zur Schweiz zu ziehen», sagt sie.

Stefan Matt (GLP) aus Chicago ergeht es ähnlich: «Realistischerweise würde in meinem Fall wohl nur ein Umzug in die Schweiz funktionieren.» Auch im digitalen Zeitalter sei der persönliche Kontakt, gerade in der Politik, von grosser Bedeutung.

Für die in Seattle lebende Barbara Curran (GLP) käme die Wahl in den Nationalrat gerade zum rechten Zeitpunkt : «Da wir zur Zeit unser Geschäft in Amerika auf Europa ausdehnen, wäre dies die Gelegenheit, mit der Familie nach Europa zu ziehen.»

Doch nicht alle Nationalratsaspiranten sind gewillt, ihre neue Heimat hinter sich zu lassen. So etwa Stephan Kyburz. Er sagt zwar, dass er im unwahrscheinlichen Fall einer Wahl wohl in die Schweiz zurückkehren würde. Aber sagt er auch: «Ich fühle mich in London wohl und habe ein neues Zuhause gefunden, so dass ich dieses neue Leben nur ungern aufgeben möchte.»

Das wirft die Frage auf, wie ernst es die Politiker tatsächlich mit ihrer Wahl meinen. Kyburz gibt zu, dass seine Kandidatur eher symbolisch ist. Und damit ist er nicht alleine. Die in Deutschland lebende Mielikki Albeverio (SP) sieht dies ähnlich. «Meine Kandidatur hat für mich eher symbolischen Charakter, da die Chance, gewählt zu werden, sehr klein ist. Ich sehe es als symbolisch wichtig an, die Auslandschweizer und -schweizerinnen im Wahlkampf zu repräsentieren.»

Doch es gibt auch solche, die Ihre Kandidatur durchaus seriös verstanden wissen wollen. So etwa Herbert C. Frey. Und Frey hat ein Ziel: Das Wählerpotenzial der Auslandschweizer zu heben. Denn: «Dieses wird gewaltig unterschätzt. Leider sind bisher nur 172000 in den Stimmregistern der einzelnen Kantone eingetragen.» Dieses zu vergrössern, findet er eine reizvolle Aufgabe.« Meine Kandidatur ist also nichts Symbolisches, sondern eine ernste Sache.»

In die gleiche Richtung tendiert auch Hans Peter Bieri. Eine symbolische Kandidatur könne es seines Erachtens nicht geben, da dafür die Aufgabe und Verantwortung zu ernst sei. « Wenn man die Kandidatur für ein Nationalratsmandat einreicht und den Kanton in Bern entsprechend vertreten möchte, muss man sich nicht nur der Verantwortung bewusst sein, sondern auch den Wählern, welche dich mit dieser Aufgabe betraut haben. Alles andere wäre Verrat an den Leuten.»

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