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Luzern

Das Orchester-Leben in der Zeit von Corona – sechs Erlebnisberichte aus der Region Luzern

Laienchöre und Laienorchester dürfen bald wieder mit Proben beginnen. Die Lockdown-Zeit hat alle arg durchgerüttelt. Sechs Erlebnisberichte, startend mit einer Garten-Chorprobe in Rothenburg.
Chorleiter Urs Jans (rechts am E-Piano) probt in seinem Garten in Rothenburg mit den vier Sängern Franz Furrer, Walter Grüter, Toni Amhof und Otti Minder (von links). Einige Nachbarskinder hören vergnügt zu. (Bild: Patrick Hürlimann (Rothenburg, 26. Mai 2020))
Florian Harms.
Michelle Zimmermann
Irène Langensand Infanger
Manuela Handermann
Adrian de Souza

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Chor Rothenburg

Vier Männer stehen in einem Garten und singen aus voller Kehle. Ein fünfter dirigiert sie vom E-Piano aus – in gebührendem Abstand. Fünf Nachbarskinder sitzen am Boden, hören zu und spielen miteinander. Zwischendurch gibt’s spontanen Applaus von Balkonen in der Nachbarschaft und von zufällig vorübergehenden Spaziergängern.

Chorprobe in Zeiten von Corona nennt sich dies! Am Dienstagnachmittag, 26. Mai, spielte sich das Ganze ab, in Rothenburg, im Garten von Urs Jans. Dieser ist seit 40 Jahren Chorleiter. Zurzeit dirigiert er drei Männerchöre, den Männerchor Sempach, den Zunftchor der Ameisizunft Rothenburg und die Stadt Männerchor Quartett-Vereinigung Luzern. Für die Garten-Probe am Dienstag bot er vier Mitglieder des aus insgesamt 20 Sängern bestehenden Stadt-Männerchors auf. Das letzte Liedstück sei nach 21 Uhr erklungen, «nach einer Grillade», teilte uns Jans nachträglich mit.

«Schmerzende Stillstände»

Der Corona-Lockdown hat alle Chöre, Orchester und Theater in der Schweiz vorübergehend zum Verstummen gebracht. Konzerte mussten abgesagt werden, nicht mal Proben waren mehr möglich. «Schmerzende Stillstände» nennt es Jans. Vom «Vereins-Leidenszustand» spricht er. Dadurch dürfe man sich aber nicht unterkriegen lassen. Er habe sich überlegt, wie man die Chorarbeit in naher Zukunft gestalten könne – «im Zustand der einzuhaltenden Regeln». Nach den Lockerungsschritten des Bundesrats wird ab 6. Juni nun wieder vieles möglich sein – Proben, kleine Auftritte, alles weiterhin mit den nötigen Hygiene-Massnahmen.

Jans hat ein Konzept entwickelt, mit praktischen Tipps. Etwa:

«Mehr Summen beim Proben, weil dadurch bei der Aussprache weniger speichelgefüllter Atem ausströmt!»

Weitere Vorschläge lauten: «Texte zu Hause auswendig lernen, Chorraum vor dem Singen gut durchlüften, Singen im Echo.» Auch das Singen zu Kontakte mit dem Chorleiter via Internet, Proben und Anregungen via Vereins-Chat. Vieles davon habe er bereits ausprobiert, wie eben die Proben in kleiner Besetzung draussen im Garten. Jans betont: «Das Singen im Quartett oder in kleinen Ensembles ist ohnehin hilfreich, um jeden Einzelnen optimal fördern zu können und ihm damit auch individuellere Feedbacks und Würdigungen seines Könnens zu geben.»

Er sei während der Lockdown-Zeit von verschiedenen Vereinen um Rat gefragt worden, sagt Jans. Fehlende Wochenrituale wegen des Ausfalls der Proben, keine Auftritte, kein gemeinsames In-den-Ausgang-Gehen nach den Proben – dies alles könnte zu einer Art «Langeweile» führen, befürchteten viele. Eine weitere Problematik sei: «In Laienchören und Laienorchestern befinden sich überdurchschnittlich viele Mitglieder der Risikogruppe (Ü 65). Für sie war die Situation besonders schwierig.»

www.mcsempach.ch, www.ameisizunft.ch

Wie haben andere Musikvereine die Lockdown-Zeit erlebt? Wie haben sie sich auf die jetzt erfolgte Lockerung vorbereitet? Wir baten die Präsidentinnen und Präsidenten von fünf Orchestern um eine Stellungnahme. Hier die von ihnen verfassten Statements:

Stadtorchester Luzern

«Das Stadtorchester Luzern setzte gleich zu Beginn des Lockdowns die Probenarbeit komplett aus. Dies hat uns besonders hart getroffen, da just zu diesem Zeitpunkt die Tutti-Proben für unser Jahreskonzert, das für den 14. Juni im KKL geplant war, beginnen sollten. Schnell war absehbar, dass wir für dieses Konzert - eine Ballettgala zusammen mit der Ballett Akademie Luzern - nicht ausreichend proben würden können, so dass wir das Konzert frühzeitig auf den 20. Juni 2021 verschoben. Seitdem warten wir ungeduldig darauf, die Probenarbeit für unser Herbstkonzert im November in der Lukaskirche aufnehmen zu können.

Wir haben in unserem Orchester Mitspielende jeden Alters, so dass wir es nicht riskieren wollten, mit grenzwertigen Konzepten zu experimentieren. Professionelle Orchester konnten da sicherlich ein detaillierteres Sicherheitskonzept umsetzen, wir sind alleine schon in unseren Platzverhältnissen eingeschränkt. Virtuell hat sich bislang nur der Vorstand getroffen. Proben (und seien es reduzierte Satzproben) per Videokonferenz, wie ich das erfolgreich vom Instrumentalunterricht meiner Kinder kenne, kann ich mir im Ensemble nicht vorstellen.

Weil wir die Probenarbeit für unser Herbstkonzert am 15. November 2020 nun bald wieder aufnehmen können – selbstverständlich unter Berücksichtigung der Vorsichtsmassnahmen, die uns allen in den vergangenen Wochen in Fleisch und Blut übergegangen sind -, liegen wir gut im Zeitplan. Mit Beethovens 8. Sinfonie, seiner Coriolan-Ouvertüre und dem 1. Oboenkonzert von Mozart werden wir Werke darbieten, die vor Heiterkeit und Lebensfreude gerade so strotzen. Wir haben das Konzert daher unter den Titel ‹Vivace!› gestellt. Wir freuen uns darauf.»

Florian Harms, Präsident Stadtorchester Luzern, www.stadtorchester-luzern.ch

Akkordeon-Orchester Ebikon

«Das Akkordeon-Orchester Ebikon wird heuer 50 jährig. Wir planten ein Jubiläumsjahr mit fünf Anlässen, davon vier Auftritte. Den ersten konnten wir im Januar noch durchführen. Bis zu den Fasnachtsferien probten wir fleissig weiter. Kurz danach gab der Bundesrat die Empfehlungen zum Distanzieren und Home Office heraus, worauf wir unsere Proben bis auf weiteres absagten.

Das mit den Stimmenproben (unser Pendant zu den Registerproben) ist so eine Sache. Sie sind am effektivsten, wenn man das Stück schon einigermassen gut durchspielen kann, aber in jeder Stimme noch die Feinheiten ausarbeiten muss. So weit wären wir im Grunde gewesen; nur macht eine Stimmenprobe erst Sinn, wenn man in absehbarer Zeit einen Auftritt hat. Unser Jahreskonzert war am 9. Mai geplant; uns wurde schnell klar, dass wir es absagen müssen. Auch unser Gastauftritt im Juni am Ebo-Festival, dem Fest der Feldmusik Ebikon, fiel Corona zum Opfer. Auch unser grosses Jubiläumsfest im September mussten wir schweren Herzens absagen, da die Lage zu unsicher wurde und auch die Sponsorensuche immer mehr harzte. Bevor wir also überhaupt wieder hätten in 5er-Gruppen proben dürfen, hatten wir schon alle Auftritte dieses Jahres absagen müssen. Natürlich bleibt da die Motivation etwas auf der Strecke.

Online-Proben machten wir nicht; die Verzögerung im Videotelefon ist zu gross. Wir verlegten dafür unseren Beizenbesuch, der jeweils nach der Probe stattfindet, ins Internet. Das brachte uns endlich wieder mal kurz zusammen und zeigte uns: Wir freuen uns riesig darauf, wieder miteinander zu proben! Nicht nur der Musik wegen, sondern auch um uns wieder persönlich austauschen zu können. Bis es soweit ist, brauchen wir unser Instrument nur in den eigenen vier Wänden und schicken uns ab und zu ein Foto in unsere Orchester-Whatsapp-Gruppe. Das nächste Konzert gibt das Akkordeon-Orchester Ebikon am Samstag, 8. Mai 2021, wie üblich am Tag vor dem Muttertag.»

Michelle Zimmermann, Präsidentin Akkordeon-Orchester Ebikon, www.aoebikon.ch

Orchester Kriens-Horw

«Wir hatten anfangs Februar zwei erfolgreiche Konzerte und starteten nach den Fasnachtsferien voller Freude mit den Proben für unsere Konzerte am 19./20. Juni. Unsere Vereins-GV konnten wir am 10. Februar noch normal abhalten. Doch dann konnten wir nicht mehr oft proben - einzelne Mitglieder entschuldigten sich aus Sorge um Familienmitglieder in der Risikogruppe schon Anfang März von den Proben. Nach dem Bundesratsentscheid war dann klar, dass die Proben nicht mehr vor Ort stattfinden konnten. Am 16. März entschieden wir, unsere geplanten Konzerte im Juni abzusagen. Ohne effizientes und regelmässiges gemeinsames Proben ist es in einem Laienorchester nicht möglich, ein anspruchsvolles Konzertprogramm einzustudieren.

Danach ging es ans Umplanen: Konzerträumlichkeiten stornieren, Inserenten fürs Konzertprogramm absagen, Solisten informieren, neues Budget erstellen (ohne die Türkollekten der zwei Juni-Konzerte). Unser Glück war, dass wir noch nicht allzu grosse Ausgaben hatten. Wir entschieden, die vorgesehenen Werke (das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven und die Arlesienne-Suite 2 von George Bizet) ein Jahr später im Juni 2021 aufzuführen. Somit kann die schon getätigte Arbeit der Grafikerin wieder verwendet werden. Auch die Miete der Musiknoten kann verlängert werden.

Als Präsidentin habe ich zu meinen Vereinsmitgliedern ‹geschaut›, indem ich mich per Mail nach ihrem Befinden erkundigte oder mich telefonisch bei Einzelnen meldete, die zur Risikogruppe gehören und teils alleine leben. Nebst der Musik ist es unserem Verein wichtig, dass wir das soziale Miteinander pflegen. Das wöchentliche Musizieren in ‹normalen› Zeiten ist für jedes Mitglied ein wichtiger Ausgleich zur Arbeit, ein Ort zur Pflege von Kontakten. Das fiel nun auf einmal für unplanbare Zeit weg. Umso mehr freuten sich alle, als ich mitteilen durfte, dass unser Dirigent Gregor Bugar ab dem 11. Mai in Kleingruppen eine Mini-Probe anbietet. Seither können jeweils am Montagabend 4 Mitspielende mit dem Dirigenten proben, mit den nötigen Abstands- und Hygienevorschriften. Dank dem, dass die Lockerungen nun noch weiter gehen, dürfen wir schon bald in einer grösseren Gruppe proben, so dass wir hoffentlich unser Winterkonzert am 30. und 31. Januar 2021 planmässig aufführen können. Auf dem Programm stehen die erste Sinfonie von Charles Gounod, von Christoph Willibald Gluck die Ouvertüre ‹Iphigenia in Aulis› sowie die Motette Exsultate Jubilate von Wolfgang Amadeus Mozart.

Proben mit Video haben wir nicht ausprobiert - wir gaben unseren Mitgliedern aber wie immer die Youtube-Links, auf denen sie die Stücke hören können, die wir aufführen werden. Zudem bot der Dirigent an, dass man mit ihm Kontakt aufnehmen kann bei Fragen, Schwierigkeiten bei anspruchsvollen Stellen (auch mit Audioaufnahmen). Ich bin als Präsidentin froh, dass wir die Löhne unseres Dirigenten und des Konzertmeisters weiterhin bezahlen konnten und auch von der Ausgleichskasse einen Teil zurückfordern konnten. Dass wir diese Zeit finanziell unbeschadet überbrücken können, ist für unser Fortbestehen sehr wichtig.»

Irène Langensand Infanger, Präsidentin Orchester Kriens-Horw, www.orchester-kh.ch

Streicherensemble Adligenswil

«Das Streicherensemble Adligenswil mit seinen 30 bis 40 Mitgliedern hat immer zwei Konzert-Projekte pro Jahr. Wir starten jeweils im März mit Proben für die Aufführungen im Juni. Im September ist dann wieder Proben-Start für die Aufführungen im Januar. Nach dem Ausbruch der Corona-Krise wurden unsere Pläne über den Haufen geworfen. Für das Konzert am 21. Juni, bei dem wir unter anderem den ‹Sommernachtstraum› von Felix Mendelssohn aufführen wollten, hätten wir spätestens Anfang Mai mit Proben beginnen müssen. Nur so wäre eine seriöse Vorbereitung, wenn auch stark verspätet, möglich gewesen.

Die Noten waren verteilt, die Solisten und Solistinnen gefunden, die Räume reserviert. Auch Konzerte in Seniorenheimen waren bereits abgemacht. Nach Verkündung des Lockdowns haben zwar individuelle einzelne Proben zuhause stattgefunden, aber keine virtuellen und keine Gruppen-Proben. Auch Registerproben machten keinen Sinn. Denn wir waren in völliger Ungewissheit. Es war zu diesem Zeitpunkt völlig unklar, wie viele Personen das Konzert besuchen könnten – falls es überhaupt stattfinden würde. Und ein Konzert mit nur wenig Zuhörern deckt unsere Unkosten nicht.

Wir mussten das Konzert deshalb um ein Jahr verschieben und werden unseren ‹Sommernachtstraum› nun (hoffentlich) am 20. Juni 2021 wahr werden lassen. Jetzt gehen wir davon aus, dass wir nach den Sommerferien wenigstens wieder mit den Proben für das Jahreskonzert vom 30./31. Januar 2021 beginnen können.»

Manuela Handermann, Präsidentin Streicherensemble Adligenswil, www.streicherensemble-adligenswil.ch

Orchester Emmen

«Unsere letzte Orchesterprobe vor dem Corona-Lockdown fand am 9. März statt. Für diese mussten wir eine Bewilligung vom Kanton einholen, da unsere Probe als Veranstaltung galt. Danach kam der Lockdown, und der Probebetrieb wurde komplett eingestellt. Wir mussten unser Probewochenende und das Konzert am Karfreitag absagen, was uns sehr schmerzte, vor allem auch weil unser Orchester dieses Jahr sein 100-Jahr-Jubiläum feiert. Um den Kontakt miteinander nicht zu verlieren, stampfte der Orchester-Vorstand in relativ kurzer Zeit das Konzept des Orchester-Newsletters aus dem Boden. Darin waren Beiträge und Bilder zu den letzten 100 Jahren des Orchesters Emmen zu lesen und sehen. Unser Dirigent wandte sich darin mit Tipps und Tricks sowie Übungsvorschlägen an die Mitglieder. So wurde sichergestellt, dass man mit dem eigenen Instrument in Kontakt bleibt in dieser schwierigen Zeit.

Eines Tages erhielten wir Musiknoten vom Dirigenten und eine Einladung zu einer virtuellen Probe. An der Probe waren dann immerhin rund 15 Musikerinnen und Musiker dabei. Wir spielten circa 30 Minuten. Oder besser gesagt, wir versuchten zu spielen. Denn aufgrund der verschiedenen Internetgeschwindigkeiten kamen die Töne der einzelnen Spieler jeweils zu unterschiedlichen Zeiten an. Es war auf jeden Fall ein interessantes Experiment. Nach der Probe wurden die Instrumente gegen ein Getränk getauscht, und der erste virtuelle Apero in der Geschichte des Orchesters fand statt. Solche virtuellen Treffen führten wir insgesamt dreimal durch. Sie dauerten stets rund eine Stunde, und es waren immer rund 10 bis 15 Musikerinnen und Musiker dabei. Das Bedürfnis nach Kontakt zu den anderen Leuten aus dem Orchester war vorhanden, und es tat sehr gut, sich mit den Kolleginnen und Kollegen auszutauschen.

Natürlich war bei diesen Treffen das Hauptthema der Lockdown und die Krise, aber die Stimmung war immer gut, und wir hatten einiges zum Lachen. Jedes Mal hat man gemerkt, dass die Lust, wieder zusammen Musik zu machen, grösser wird. So freuen wir uns nun, dass wir am 8. Juni wieder mit den Proben starten können. Das grosse Jubiläumskonzert zum 100-jährigen Bestehen des Orchesters Emmen findet nun am 21. Januar statt. Wir werden dabei unter anderem das 2. Klavierkonzert von Sergei Rachmaninow aufführen.»

Adrian de Souza, Präsident Orchester Emmen, www.orchesteremmen.ch

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