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Luzern

Der Luzerner CVP-Kantonalpräsident Christian Ineichen im Interview: «Regierung pokert etwas hoch»

CVP-Parteipräsident Christian Ineichen kritisiert den Luzerner Regierungsrat für dessen Vorgehen bei der Aufgaben- und Finanzreform. Und er hat eine Erklärung für die blockierte Finanzdebatte.
Christian Ineichen, Präsident der CVP des Kantons Luzern. (Bild: Eveline Beerkircher, Luzern, 5. Dezember 2018)
Christian Ineichen: «Wir haben für die Nachfolge von Konrad Graber mit Yvonne Hunkeler, Andrea Gmür und Ludwig Peyer drei klingende Namen auf dem Tisch.»
(Bild: Eveline Beerkircher, Luzern, 5. Dezember 2018)

Alexander von Däniken und Lukas Nussbaumer

Alexander von Däniken und Lukas Nussbaumer

Es ist nicht übertrieben, wenn man im Kanton Luzern von einem rauen politischen Klima spricht. Aktuellstes Beispiel ist der Entscheid des Kantonsrats, die Beratung der 200 Millionen Franken schweren Aufgaben- und Finanzreform (AFR) 2018 auf nächstes Jahr zu verschieben. Und das trotz eines Kompromisses zwischen dem Regierungsrat und dem Verband Luzerner Gemeinden. Den Parlamentariern war nicht geheuer, dass in der AFR Erträge aus der Steuervorlage des Bundes und der kantonalen Steuergesetzrevision einberechnet wurden.

Mittendrin: die CVP. Die im Kanton wählerstärkste Partei stellt die meisten Gemeinderäte, zwei Regierungsräte und die grösste Kantonsratsfraktion. Wir empfangen den Kantonalpräsidenten Christian Ineichen wenige Stunden nach den Bundesratswahlen zum Interview.

Christian Ineichen, mit Viola Amherd wurde eine neue CVP-Bundesrätin gewählt. Sind Sie zufrieden?Ich war überrascht, wie schnell die Wahl über die Bühne ging. Aus regionaler Sicht hätte ich mir natürlich Heidi Z’graggen als Bundesrätin gewünscht. Aber auch Viola Amherd wird sicher einen sehr guten Job machen.Setzt sich die nationale Tendenz der CVP fort, könnte Amherd womöglich die letzte CVP-Bundesrätin sein.

Auf keinen Fall. Neue Parteien können sich nicht so schnell etablieren. Ausserdem scheint mir unser Anspruch auch deswegen nicht bestritten, weil wir doch in einigen Kantonen noch staatspolitische Verantwortung tragen und teilweise sogar die grösste Partei sind.

Aber mit Doris Leuthard verliert die CVP eine Lichtfigur.Ja. Trotzdem wird auch Viola Amherd eine sehr gute Bundesrätin. Das Ziel sollte ja nicht sein, in irgendwelche Fussstapfen zu treten, sondern neue Wege zu gehen.Eigene Wege beschreitet auch die CVP des Kantons Luzern. Ist es eine kluge Strategie, der SP zu einem Sitz im Regierungsrat zu verhelfen?Hier muss ich klarstellen, dass ich der SP nicht helfe. Das gilt schon gar nicht für die CVP, welche dazu noch keinen Beschluss gefasst hat. Aber wenn auch von der Basis das Bekenntnis zur Konkordanz gewünscht wird, dann unterstütze ich das.Das tönt nicht nach einem Bekenntnis zum parteilosen Regierungsrat Marcel Schwerzmann.

Wenn ich die kantonale Politik als Ganzes betrachte, dann werden die Debatten ruppiger geführt als früher. Auch sind sie oft blockiert. Das hat mit der Oppositionsrolle zu tun, welche vor allem die SP spielt. Zuvor war die SVP nicht in der Regierung, was auch nicht im Sinne einer konstruktiven Politik war. Ich bin zwar grundsätzlich für die Konkordanz, stelle aber auch Ansprüche an die jeweiligen Kandidaten. Gerne stelle ich aber auch einmal mehr fest, dass die saubere Konkordanz in Exekutiven keinen Platz für Parteilose vorsieht. Findet das trotzdem statt, so fällt folgerichtig die nächst kleinere Partei – mag deren Regierungsanspruch noch so unbestritten sein – über den Tellerrand hinab.

SP-Regierungsratskandidat Jörg Meyer lehnt die Tiefsteuerstrategie klar ab. Und die vergangene Session hat gezeigt, dass sich der finanzpolitische Graben bis ins bürgerliche Lager ausweitet.Dabei waren die Voraussetzungen grundsätzlich gut. Bei der AFR 18 konnten sich der Regierungsrat und der Verband der Luzerner Gemeinden – und damit die Mehrheit der Gemeinden – auf eine Lösung einigen. Leider pokert die Regierung etwas hoch, indem sie die Erträge der nationalen Steuerreform und der kantonalen Steuergesetzrevision schon einrechnet. In der letzten Session aber war es erneut die CVP, welche Einfluss genommen und die Richtung bestimmt hat, weil wir Lösungen wollen, die durchdacht sind. Bei der AFR 18 hat die CVP-Fraktion anlässlich der letzten Session die Führungsverantwortung übernommen und den Kurs des Kantonsrates bestimmt. Die Fraktion hat die Haltung mehrheitsfähig gemacht, dass AFR 18 und Steuergesetzrevision miteinander verknüpft sind und darum auch gemeinsam zu beraten sind. So stelle ich mir gestaltende Parlamentsarbeit vor.Wenn die Regierung zu hoch pokert, ist auch die CVP mitverantwortlich: weil sie zwei Regierungsräte stellt...... die aber in der Minderheit sind.Wird die CVP im kommenden Wahljahr Koalitionen suchen oder den Alleingang wagen?Vor den Regierungsratswahlen konzentrieren wir uns auf die Ständerats-Ausmarchung. Dort haben wir für die Nachfolge von Konrad Graber mit Yvonne Hunkeler, Andrea Gmür und Ludwig Peyer drei klingende Namen auf dem Tisch. Ich bin gespannt, wie die Delegierten entscheiden. Mehr Effort braucht es bei den Nationalratswahlen, weil dort für Luzern ein Sitz wegfällt und arithmetisch die CVP in Gefahr ist.Wäre eine Fusion mit der EVP denkbar?Sicher nicht um jeden Preis. Es finden Gespräche betreffend Kooperation während den Wahlen statt; schliesslich bilden CVP und EVP auch in Bundesbern eine Fraktion. Aber es muss passen. Wir planen sicher keine feindliche Übernahme.Im Gastbeitrag vom 30. November empfahl der ehemalige Luzerner Grossstadtrat Silvio Bonzanigo der CVP, auf das «C» zu verzichten.Das ist eine Einzelmeinung, welche übrigens in gewissen Abständen aus verschiedenen Ecken immer wieder kommt. Davon halte ich gar nichts, denn ich bin überzeugt, dass es das «C» gerade in den Stammlanden braucht. Zumal dieser Buchstabe längst nicht für «Katholisch» steht, sondern für Werte, welche auf der christlich-abendländischen Kultur basieren. Vielleicht steht das «C» ja auch für «clever» – die Leistungen unserer Kantonsratsfraktion würden dies jedenfalls durchaus rechtfertigen. Festzustellen ist überdies, dass das «C» zumeist nicht von CVP-Parteigängern, sondern von Personen mit anderer Parteicouleur thematisiert wird.Bonzanigo monierte auch, die CVP müsse schneller kommunizieren.Auch das ist Ansichtssache. Tempo ist nicht alles. Wir nehmen uns lieber Zeit zum Zielen, um eine höhere Chance auf einen Treffer zu haben. Alles andere wird einer Partei mit staatspolitischer Verantwortung nicht gerecht.Und was ist mit dem Vorschlag, vermehrt auf mittelständische Frauen zu setzen?Hier haben wir nicht mehr Nachholbedarf als andere Parteien. Stolz weisen wir aber darauf hin, dass die Hälfte unserer Berner Deputation aus Frauen besteht. Im Übrigen verfügen wir über eine gute Zahl kompetenter Frauen, weswegen es auch mein Ziel ist, bei der nächsten CVP-Vakanz im Regierungsrat mindestens auch eine Frau vorschlagen zu können.

Hinweis: Christian Ineichen (41) ist seit 2017 Präsident der CVP des Kantons Luzern. Der Marbacher hat Geschichte und Politikwissenschaften studiert.

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