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Luzern

Gratisuntersuche sollen gestrichen werden: Luzerner FDP will bei der Zahnpflege sparen

Eine Luzerner FDP-Kantonsrätin wittert Sparpotenzial bei der Schulzahnpflege: Sie will die Reihenuntersuche abschaffen.
Ist gegen die Abschaffung der schulzahnärztlichen Reihenuntersuche: Flavio Brunner, Präsident des Verbands der Luzerner Schulzahnpflege. (Bild: Roger Grütter (Luzern, 27. Februar 2020))

Evelyne Fischer

Perfekt lächeln, dank strahlend weisser Zähne: Den Traum vom makellosen Gebiss gibt’s nicht umsonst. Um Mädchen und Buben bereits früh für die richtige Reinigung und regelmässige Kontrolle zu sensibilisieren, setzt Luzern auf schulzahnärztliche Reihenuntersuche: Während der obligatorischen Schulzeit müssen alle Kinder und Jugendliche einmal jährlich beim Schulzahnarzt – oder beim privaten Zahnarzt – vorstellig werden.

Der Reihenuntersuch beim Schulzahnarzt kostet 33.10 Franken pro Kind und wird von der Gemeinde getragen. Ausgaben, die man sich sparen könnte, findet FDP-Kantonsrätin Helen Schurtenberger:

«Reihenuntersuche sind weder zeitgemäss noch effizient.»

In einem Postulat, das von CVP-Gemeindevertretern mitunterzeichnet wurde, fordert die Menznauer Sozialvorsteherin die Abschaffung dieser Kontrollen. «Der Verzicht ist sinnvoll und vertretbar.»

Aufwendige Organisation der Reihenuntersuche

Schurtenberger kritisiert vor allem den grossen Aufwand, den die Schulen zu bewältigen haben: «Die Organisation der Reihenuntersuche frisst viel Zeit. Es wäre einfacher, wenn beispielsweise ein vom Kanton angestellter Schulzahnarzt alle Schulen besuchen würde.» Umständlich sei auch das Führen des Zahnbüchleins. «Dieses muss im Laufe des Schuljahres mehrmals zwischen der Praxis und dem Elternhaus hin- und hergeschickt werden. Das Zahnbüchlein ist in der heutigen digitalisierten Welt nicht mehr zweckmässig.»

Schurtenberger appelliert an die Eigenverantwortung der Väter und Mütter. «Die meisten Eltern nehmen ihre Aufgabe in diesem Bereich sehr gut wahr. Hier muss nicht der Staat einspringen.» Man könne ohnehin keine Eltern verpflichten, die empfohlenen Behandlungen vorzunehmen. Nichts ändern will die FDP-Politikerin vorderhand an der Prophylaxe – sprich am Besuch der Zahnfee im Klassenzimmer: «Die Instruktorinnen brauchts weiterhin, gerade für Migrantenkinder, die vielfach schlechtere Zähne aufweisen.»

Zahnärzte wollen von Streichung nichts wissen

In der Branche beisst Schurtenberger mit ihrem Vorstoss auf Granit. «Die Reihenuntersuchung sollte auf keinen Fall abgeschafft werden», sagt Flavio Brunner, Zahnarzt in der Stadt Luzern und Präsident des Verbands der Luzerner Schulzahnpflege. «Wir erleben immer wieder Eltern, die ungenügend aufgeklärt sind und erst bei der Schuluntersuchung über die dentale Situation ihrer Kinder erfahren.» Die grosse Mehrheit lasse angeratene Behandlungen entweder beim Haus- oder beim Schulzahnarzt durchführen. «Therapieresistente Eltern machen einen verschwindend kleinen Anteil aus.»

Auch der Vorstand der Luzerner Zahnärzte-Gesellschaft, eine Sektion der Schweizerischen Zahnärztegesellschaft (SSO), stellt sich gegen Schurtenbergers Vorschlag. «Der Erfolg der Schulzahnpflege ist unbestritten und hat seit deren Einführung zu einem signifikanten Rückgang der Karies geführt», sagt Präsident Nicolas Fenner. «Kinder gewöhnen sich an den jährlichen Untersuch, was sie ermuntert, dieses Intervall auch nach der obligatorischen Schulzeit beizubehalten.»

Hinzu komme: Nicht nur die Kariesdiagnostik sei wichtig, sondern auch das Erkennen von Zahn- und Kieferfehlstellungen. «Dank der Reihenuntersuche können wir Eltern frühzeitig darauf informieren und ermuntern, allenfalls eine Zahnzusatzversicherung in Betracht zu ziehen.» Es sei falsch, alleine auf die Eigenverantwortung der Eltern zu setzen, sagt Fenner.

«Benachteiligt würden vor allem sozial schwächer gestellte Schüler.»

Er beginnt zu rechnen: «Für die gesamte obligatorische Schulzeit fallen pro Kind Ausgaben von rund 330 Franken an.» Im Vergleich zu den Therapiekosten – eine Füllung belaufe sich teils auf über 200 Franken – sei der Aufwand «überschaubar».

Einheitliche Organisation wäre wünschenswert

Dass die Organisation den Schulen einiges abverlangt, ist beiden Zahnärzten bewusst. «Aus unserer Sicht wäre eine einheitliche Organisation wünschenswert», sagt Flavio Brunner vom Verband der Luzerner Schulzahnpflege. «Der Kanton wäre ein geeigneter Partner.» Bis 2008 sei beim Kanton eine Stelle für die Schulzahnpflege und ihre Koordination zuständig gewesen. «Das klappte sehr gut, bis die Stelle der Aufgabenverteilung zwischen Gemeinden und Kanton zum Opfer fiel.» Was nicht funktioniere, sei ein Schulzahnarzt für alle. «Eine ähnliche Idee scheiterte schon einmal», sagt Brunner und verweist auf die Kinder- und Jugendzahnklinik der Stadt Luzern. Diese wurde aus Spargründen per 31. Juli 2013 geschlossen. Ein Stör-Schulzahnarzt sei auch mit Blick auf die Infrastruktur nicht umsetzbar, sagt Nicolas Fenner von der Luzerner Zahnärzte-Gesellschaft.

«In den Schulen fehlen Zahnarztstühle. Auch die hygienischen Richtlinien könnten nicht eingehalten werden.»

Ebenfalls keine Option ist es, die Organisation der Reihenuntersuche den Praxen zu übertragen. «Das würde die Kosten in die Höhe treiben.» Ein individueller Untersuch koste heute 48.80 Franken.

Wie oft Eltern empfohlene Behandlungen beim Schulzahnarzt durchführen lassen, hängt laut Fenner davon ab, ob für den Reihenuntersuch eine Auswahl besteht. «Dann entscheiden sich Eltern bereits beim Schuluntersuch für jene Praxis, in der sie auch ihr Kind behandeln lassen wollen.» Anders in Gemeinden mit nur einem Schulzahnarzt. Fenner: «Ich weiss von einem Schulzahnarzt, bei dem sich nur 3 bis 5 von 20 Kindern behandeln lassen. Der Rest lässt die vorgeschlagene Behandlung im Ausland, beim privaten Zahnarzt oder gar nicht machen.»

Wie viele Schulzahnärzte im Kanton tätig sind, liess sich nicht in Erfahrung bringen. Kantonszahnarzt Peter Suter kann keine Stellung nehmen, bis die Antworten der Regierung vorliegen.

Zahnbüchlein: Eine Alternative tut not

Einig sind sich Fenner und Brunner: Das Zahnbüchlein hat ausgedient. «Zusammen mit dem Kanton hat die SSO Luzern bereits Ende 2019 einen Informatiker beauftragt, ein verschlüsseltes, webbasiertes Programm zu entwickeln, das die Zahnbüchlein ersetzen könnte», sagt Fenner. «Dies würde den organisatorischen und logistischen Aufwand erheblich vermindern und die Daten wären stets aktuell.» Der Verband der Luzerner Gemeinden habe die Idee aber zurückgewiesen mit der Begründung, das Problem sei nicht prioritär. Fenner sagt:

«Die SSO Luzern sähe deutliches Sparpotenzial und wäre bereit, sich an einer solchen Lösung finanziell zu beteiligen.»

Da Verhandlungen laufen, will er sich derzeit nicht zu den Kosten äussern. Übrigens: In Emmen, wo Fenner praktiziert, wurden Zahnbüchlein bereits abgeschafft. «Hier werden die Befunde des Schulzahnarztes zusammen mit einem Kostenvoranschlag und einem möglichen Termin direkt an die Eltern gesendet.»

Hinweis: Wissen Sie, wie man die Zähne richtig putzt? Hier finden Sie eine Anleitung fürs Putzen mit der Zahnbürste, hier sehen Sie, worauf es beim Reinigen mit der Schallzahnbürste zu achten gilt.

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