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Nidwalden

Freilichtspiel in Ennetmoos: Dieser Choreograf bringt Ost und West zusammen

Die Geschichte «Die schwarze Spinne» ist schweizerisches Kulturgut. In der laufenden Theater-Inszenierung in Ennetmoos steckt aber auch eine gehörige Portion asiatischer Philosophie. Der Bewegungskünstler Shinichi Iova-Koga sorgte für die Choreografie.
Choreograf Shinichi Iova-Koga (Mitte) bei der Arbeit mit Darstellern des Freilichttheaters. (Bild: Roger Grütter (Ennetmoos, 17. Mai 2019))

Philipp Unterschütz

Eben standen sie noch in bedrohlicher Reihe auf der Kuppe beim Schwingplatz auf dem geschichtsträchtigen Allweg in Ennetmoos, dann rollen die 14 Darsteller wie Kinder den Hang herunter. Sie kämpfen im Sägemehl fast wie echte Schwinger, spielen miteinander, verbünden sich, nehmen Abstand – eine Unzahl von Gefühlen ausgedrückt durch Körperhaltung und -spannung, Bewegung und das Besetzen von Raum auf der Freilichtbühne.

Gepackt vom dramatischen Stück «Die schwarze Spinne», das am Freitag Premiere hatte, dürfte es wohl vielen Besuchern gar nicht bewusst sein, wie wichtig die Choreografie für die Wirkung der Geschichte ist. Das Stück von Gotthelf, das in diesem Fall an einem Schwingfest in der Gegenwart spielt, verlangt körperlich viel von den Darstellern. Es zeigt traditionelles Brauchtum mit Trachten, Fahnen, Jodelliedern und natürlich mit Schwingsport – und dies auf einer weitläufigen Freilichtbühne. Für die Inszenierung brauchte Regisseurin Ursula Hildebrand also einen Choreografen, der diese Elemente vereinen konnte.

Integrität, Offenheit und Demut

Gefunden hat sie ihn mit Shinichi Iova-Koga, einem 50-jährigen Amerikaner mit japanischen Wurzeln. Ein mehrfach ausgezeichneter Tanz- und Bewegungslehrer, der sei gut zwei Jahren in Horw lebt (siehe Box). «Er war genau der Richtige für den Job. Er hat sofort verstanden, worum es geht», meint die Regisseurin. Auch habe er den Schwingsport und dessen Bewegungsabläufe sofort begriffen. «Wir brauchten eine Übersetzung des Sports für das Theater», erklärt Ursula Hildebrand.

Die Geschichte habe er vorher tatsächlich nicht gekannt, erzählt Shinichi Iova-Koga, ein Mann von graziler, aber durchtrainierter Statur. «Das Thema des Paktes mit dem Teufel, wie die Bauern ihn hier eingehen, und der Versuch, den Teufel zu übertölpeln, war mir nicht fremd, das gibt es auch in anderen Erzählungen.» Der Schwingsport sei ihm etwas vertraut wegen seiner Erfahrung mit asiatischen Kampfkünsten. «Ich weiss zwar nicht viel über die tiefere Philosophie, aber mir gefällt, wie der Sieger dem Unterlegenen nach dem Kampf das Sägemehl vom Rücken klopft.» Das drücke für ihn aus, dass man auch nach einem Kampf füreinander sorge. Oder dass man sich für den Kampf an den Hosen fasse, sei ähnlich wie beim Judo und Sumo-Ringen, wo man sich ebenfalls an Kleidern oder Gurt anfasse und damit auch eine Art Übereinkunft und Vereinbarung für Kampf und Regeln eingehe.

Für «Die schwarze Spinne» hat Shinichi Iova-Koga aber nicht eine Choreografie im herkömmlichen Sinne mit genaustens einstudierten Bewegungen erarbeitet. «Wir haben uns auf das Bewusstsein und die Wahrnehmung für den Raum, für uns selbst und für die anderen konzentriert.» Er habe auch keine Tanzbewegungen vermittelt, sondern Sensibilität für Körper und Bewegung. Und auch etwas fernöstliche Philosophie. «Ich gab ihnen drei Worte: Integrität, Offenheit und Demut.» Das bedeute, stark zu bleiben, Neues anzunehmen und nicht zu blocken sowie auch Partnern oder Mitspielern Gutes und Stärke zu geben, erklärt Shinichi:

«Meine Philosophie ist, zu hören. Ein körperliches Zuhören, das sich darin ausdrückt, wie und wann man etwas macht.»

Für die Darsteller sei Timing wichtig – die Fähigkeit, den Moment lesen zu können. Die Grundkenntnisse des Schwingens, die das Team vom legendären Schwinger Kobi Niederberger beigebracht erhielten, ergänzte Shinichi um das Wissen des Zusammenspiels von Energie und Kraft.

Der Geburtshelfer kommt wieder

Bis zur Premiere haben die Darsteller zwölf Mal mit Shinichi gearbeitet, einige Male auch am Wochenende, bis zu sechs Stunden am Tag. «Es war sehr angenehm mit ihm, auch wenn es manchmal körperlich ganz schön ‹as Läbige› ging. Shinichi ist die Ruhe selbst, zentriert, sehr sympathisch», erzählt der Sachsler Hannes Büeler (62), der als Laienschauspieler bei der Bühne 66 oder der Stanser Theatergesellschaft mitmacht. In «Der schwarzen Spinne» verkörpert er den «Chlotz», einen Bauer und Schwinger. «Es ging oft darum, das Zentrum zu finden. Was passiert, wenn man aus dem Gleichgewicht kommt?» Nadia Odermatt (43) aus Buochs, welche die «Stine» spielt und eine Schauspielausbildung absolviert hat, freut sich, wie viel das Training bewegungsmässig gebracht habe. Ebenso wie die Wahrnehmung des Geländes, die Positionierung und das Timing. «Ich habe mir überlegt, ob ich nicht zu ihm in den Unterricht gehen könnte.»

Auch Regisseurin Ursula Hildebrand, die mit Shinichi die Liebe zum Action-Theater verbindet und die dessen Ansichten über bespielbaren Raum und dessen Gestaltung teilt, meint: «Ich könnte mir sofort weitere Projekte vorstellen. Eine Fortsetzung der Zusammenarbeit wäre toll.»

Nun, da die Vorführungen laufen, ist die Arbeit für Shinichi Iova-Koga getan. Die Darsteller hätten viel gelernt, auch wenn es immer etwas zu verbessern gäbe. «Aber das ist so, als Künstler ist man nie zufrieden», sagt Shinichi. Er werde sicher mehrmals kommen und das Stück schauen. «Ich war eine Art Geburtshelfer und da möchte ich natürlich sehen, wie sich das Baby entwickelt.»

Mehr Infos: www.schwarzespinne.ch

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