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Zug

Eine Wiese soll dem Wachstum weichen: Neues Schulhaus im Städtli geplant – auf Zeit

Nach 20 Jahren soll das Gebäude abgebaut und die Grünfläche wiederhergestellt werden. Die Entscheidung über Projekt und Bau liegt bei den Stimmberechtigten. Lehnen sie ab, entstehen trotzdem Unterrichtsräume.
Das denkmalgeschützte Schulhaus Städtli I soll aus dem Inventar entlassen werden. (Bild: Matthias Jurt (Cham, 14. Januar 2022))
Auf dieser Grünfläche soll ein neues Schulgebäude entstehen, in Hintergrund ist ein Teil des ursprüngliches Städtli-Schulhauses (rechts) sowie der Erweiterungsbau von 1994 (links, daneben die Turnhalle) zu sehen. (Bild: Matthias Jurt (Cham, 14. Januar 2022))
Der Pausen- und Hockeyplatz des 1995 eingeweihten Schulhauses Städtli II. (Bild: Matthias Jurt (Cham, 14. Januar 2022))

Raphael Biermayr

Raphael Biermayr

Raphael Biermayr

Wer über den Pausenplatz des Primarschulhauses Städtli I in Cham geht, fühlt sich in eine ferne Zeit zurückversetzt. Der Blick findet die Unterrichtsgebäude, die sich um den um den Platz reihen, und die Turnhalle, die über allem thront. Dieser ursprüngliche, höher gelegene Teil der Schulanlage ist in sich geschlossen und wirkt ungemein harmonisch. Er ist im kantonalen Inventar der schützenswerten Denkmäler gelistet.

Unterhalb liegen die Sportanlagen sowie die Städtliwiese, die ein hoher Zaun vor den Gefahren der viel befahrenen Zugerstrasse schützt. Diese Wiese soll es nicht mehr lange geben, geht es nach dem Chamer Gemeinderat. Er plant den Bau eines dreigeschossigen Schulhauses für 160 Schülerinnen und Schüler, aufgeteilt auf zwei Kindergärten, sechs Primarschulklassen und eine Sonderklasse. Auch Räume für die modulare Tagesschule und weitere Angebote sind vorgesehen. Das Gebäude wird als Provisorium ausgewiesen, weil es nach 20 Jahren abgebrochen und anderweitig genutzt werden soll. Das geht aus der Vorlage für die Abstimmung vom 13. Februar hervor. Bei dieser befinden die Chamer Stimmenden über den Projektierungskredit in der Höhe von rund 1,2 Millionen Franken. Die Baukosten werden auf über 11 Millionen Franken geschätzt. Vorbehältlich der Zustimmung im Februar soll die Abstimmung über den Baukredit im kommenden November stattfinden. Der Bezug ist für August 2024 geplant.

Die durch den Bau gefährdete Wiese gehört nicht der Gemeinde, sondern dem Weltkonzern Nestlé AG. Dieser hat seine Wurzeln in Cham, seit die Anglo-Swiss Condensed Milk Company hier im Jahr 1866 die erste Kondensmilchfabrik Europas eröffnete. Angaben der Gemeinde zufolge hat die Firma ihr für die Grünfläche ein Nutzungsrecht bis Ende 2042 eingeräumt.

Steuererhöhung wegen Schulhausbau

Ursprünglich gehörte der Nestlé ein Vielfaches an Grund im dortigen Gebiet Schürmatt. 1951 schenkte sie der Gemeinde fast 7400 Quadratmeter, ein Jahr später vermachte sie ihr 7600 Quadratmeter für 95'000 Franken. Cham liess dort in den Jahren 1958 und 1959 das Schulhaus Städtli erbauen. Auch dabei war dem Gemeinwesen die Gunst eines Unternehmens gewiss. Die Papierfabrik sprach einen Zustupf von 100'000 Franken, weiss die Chamer Chronik «Vom Städtli zur Stadt». Dieser tat Not: Der Nettokredit betrug 1,55 Millionen Franken und sprengte das Gemeindebudget. Die Stimmberechtigten nahmen deshalb eine zweckgebundene Steuererhöhung von sage und schreibe 20 Prozentpunkten auf sich. Die Notwendigkeit eines Schulhauses im stark wachsenden Dorfteil war unbestritten.

Der Anstieg der Bevölkerungszahl ist seither ein Chamer Dauerbrenner, auch im Zentrum. Das Schulhaus Städtli wurde mehrfach erweitert, seit 1995 besteht nebenan eine unabhängige zweite Anlage.

Mittlerweile reichen auch deren Platzverhältnisse kaum mehr aus. Die einst gönnerhafte Papierfabrik ist mittlerweile Geschichte, auf ihrem Areal und andernorts entstehen massenhaft Wohnungen. Das bringt nicht nur Steuereinnahmen, sondern auch Kosten mit sich – insbesondere im Bildungsbereich. In der Vorlage zur bevorstehenden Abstimmung über das neue Städtli-Schulgebäude spricht der Gemeinderat von einem drohenden «Notstand», sollte ein Nein resultieren. «Damit die Schulen Cham den gesetzlichen Vorgaben nachkommen können, müssten zur Deckung des Schulraumbedarfs trotzdem Provisorien erstellt werden», stellt er klar. Diese würden voraussichtlich an entfernten Standorten gebaut werden.

Städtli-Schule soll aus Denkmalinventar gelöst werden

Ziel der Behörden ist es, mit dem 20-Jahre-Provisorium Zeit zu gewinnen für Sanierungen und Bauten im Schulbereich. Die Gemeinde Cham drängt darauf, das Schulhaus Städtli I aus dem Inventar der schützenswerten Denkmäler herauszulösen. Der Kanton unterstützt dieses Anliegen und hat eine entsprechende Verfügung erlassen. Gemäss der Abstimmungsvorlage haben zwei Verbände dagegen Beschwerde eingelegt. Sie wollen wohl das steingewordene Andenken an eine überschaubare Zeit bewahren.

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