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Beachvolleyball, Hintergrund zur Pro Tour

Mit einem neuen Vermarkter und einem neuen Format nimmt die Profitour der Beachvolleyballer in diesem Jahr einmal mehr einen Anlauf, sich nachhaltig zu entwickeln. Das Turnier von Gstaad dient dabei als Vorbild und Leuchtturm.

Anouk Vergé-Dépré stünde im Berner Oberland eigentlich viel lieber auf dem Feld. Nach der schweren Verletzung ihrer Partnerin Joana Heidrich ist die Bernerin aber zum Zuschauen gezwungen. Die Olympia-Dritte von Tokio weilt aber dennoch in Gstaad. Im Hintergrund weibelt sie als Leiterin der Spielergewerkschaft bei den Funktionären um die Anliegen und Sorgen der Athletinnen und Athleten.

Probleme gibt es für Vergé-Dépré genügend anzusprechen. Das auf diese Saison hin neu lancierte Turnierformat (Pro Tour) läuft mehr schlecht als recht: kaum Turniere und weniger Startberechtigte als früher, unerfahrene Veranstalter, kaum potente Sponsoren und damit zu wenig Geld und tiefe Preisgelder. Gleichzeitig wenden sich etablierte Promoter ab und verzetteln sich in der Lancierung von neuen Formaten ausserhalb der bestehenden Strukturen.

"Die Anzahl der Leute, die vom Beachvolleyball leben können, ist noch einmal gesunken", sagt Vergé-Dépré, die selbst zum privilegierten Teil gehört und ein genügend hohes Einkommen hat. Die Zeit, ein Format entwickeln zu lassen, gab sich die Sportart zuletzt nicht. "Wenn das System immer wechselt, können sich die Leute an nichts gewöhnen", kritisiert die Bernerin.

Trostlose Veranstaltungen

Die Fäden zieht seit diesem Jahr die Firma Volleyball World, hinter der eine Investmentgesellschaft aus Luxemburg steht. Und die will eine rentable Tour. Sie gab der Tour deshalb einen neuen Anstrich und halbierte unter anderem die Teilnehmerfelder bei den wichtigsten Turnieren von 32 auf 16 Teams pro Geschlecht. Durch tiefere Kosten sollten mehr Veranstalter ins Boot geholt werden.

Der Plan ging aber nicht auf; es finden weniger Turniere denn je statt. "Die neue Tour würde funktionieren, wenn es mehr Turniere gäbe", ist Vergé-Dépré überzeugt. Doch überall fehlt das Geld. Die Events verkommen immer mehr zu trostlosen Veranstaltungen. Für eine Sportart wie Beachvolleyball, die vom Lifestyle und der Stimmung vor Ort lebt, ist das eine schlechte Entwicklung.

Symptomatisch dafür war die WM im Juni in Rom, bei der ebenfalls der neue Vermarkter in der Verantwortung stand. In Italiens Hauptstadt gab es kaum Zuschauer und gravierende Mängel in der Organisation. Bitter vor allem aus Schweizer Sicht: Weil das medizinische Team versagte und der auf dem Platz schreienden und leidenden Joana Heidrich die Schulter nicht wieder einrenken konnte, droht dem Top-Duo nun eine sehr lange Verletzungspause.

Auch mit etwas Abstand bezeichnet Vergé-Dépré die Vorkommnisse als "inakzeptabel". Als Betroffene und als Athletenvertreterin fordert sie Antworten. Diese hat sie vom internationalen Verband FIVB immerhin in Aussicht gestellt bekommen. Doch die letztlich verantwortliche FIVB ist in der Organisation der WM und der Tour nur noch am Rand involviert.

"Was in Rom mit Joana passiert ist, wäre uns zu 99 Prozent nicht passiert", so Ruedi Kunz, der Direktor des Gstaader Turniers. "Bei uns stehen die Athleten und deren Gesundheit stets über allem." Der Anlass in Gstaad ist der positive Kontrapunkt und seit über 20 Jahren der alleinige Leuchtturm auf der Tour. "Sie machen seit Jahren einen super Job", lobt Vergé-Dépré.

Je 32 Teams in Gstaad

Als einer der wenigen Veranstalter schreibt Gstaad (knapp) schwarze Zahlen. Kunz geht unbeirrt seinen Weg, erzwingt bei den Verantwortlichen Ausnahmen und bestreitet das Turnier zum Beispiel auch dieses Jahr mit dem bewährten Format und mit je 32 Equipen. Sein Erfolgsrezept? "Wir legen den Fokus auf den Sport, die Athleten und eine nachhaltige Entwicklung der Sportart. Das darf nicht verloren gehen", so Kunz.

Das alljährlich positive Feedback der Sportler gibt ihm recht. Kunz spricht es nicht direkt aus, aber die ständigen Veränderungen und neuen Vermarktungsideen stören ihn gewaltig. Deshalb denkt auch er an einen allerdings nur vorübergehenden Exit von der Tour. Weil er nun zum zweiten Mal in Folge bei der Vergabe der WM übergangen wurde (die WM 2023 findet in Mexiko statt in Gstaad statt), steht nun die Organisation einer EM (2024 oder 2025) im Fokus - ohne direkte Beteiligung von FIVB und Volleyball World. (sda)

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